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Ein streitbares Frauenzimmer

Marie Mindermann und die Revolution von 1848 in Bremen
15. Mai – 16. Juni 1998 im Staatsarchiv Bremen

Ausstellungsübersicht
Die soziale Situation in Bremen um 1848
Das Schulsystem
Das kulturelle Leben
Kindheit und Jugend von Marie Mindermann
Revolution und Verfassung
Die rechtliche Situation der Frauen
Marie Mindermann und der Kirchenstreit
Marie Mindermann kämpft für Dulon
Marie Mindermann greift den Senat an
Marie Mindermann im Detentionshaus und ihr weiteres Leben
Marie Mindermann im Rembertistift
Louise Aston in Bremen
Marie Mindermann und die „berühmten“ Frauen der Revolution
„Buten und binnen – fordern un winnen“
Frauen in bürgerlichen Revolutionen
Zwischen den Revolutionen
Die Schriften von Marie Mindermann

Ausstellung im Staatsarchiv Bremen

Eröffnungsrede von Elisabeth Hannover-Drück

»Buten un binnen – fordern un winnen!«
Mit der Revolution von 1848/49 wurden Grundlagen unserer heutigen Gesellschaft mit ihrer demokratischen Verfassung gelegt. Heute, 150 Jahre später, wird vielerorts, an die revolutionären Ereignisse von damals, an den Kampf breiter Bevölkerungsschichten um politische Teilhabe, Demokratie und Bürgerrechte erinnert. Dieses Jubiläum ruft auch ins Bewußtsein, die Mächtigen ihre Macht nicht widerstandslos und freiwillig mit den bis dahin Ohnmächtigen teilen oder sie ganz abgeben, sondern nur auf politischen Druck und nach langem beharrlichen Kampf
zu Zugeständnissen bereit sind. Das war damals so und ist es auch noch heute. Demokratie und Menschenrechte sind keine Selbstverständlichkeit, sie müssen erst erstritten, geübt und gelebt werden.

Besonders die Situation der Frauen damals und heute zeigt – bei allen Fortschritten – doch noch Gemeinsamkeiten. In den offiziellen Reden und Debatten der Männer von 1848/49 kamen Frauen überhaupt nicht vor, »Sagt, wie konntet ihr uns vergessen?«, fragte 1848 eine unbekannte Bremerin auf einer Versammlung, ungefragt und auch nicht eingeladen. Und heute tut sich eine inzwischen demokratisch legitimierte Regierung immer noch schwer, Frauen ihrem Bevölkerungsanteil entsprechend an Macht und Ämtern zu beteiligen.

Von den Ereignissen aufgerüttelt, begann Marie Mindermann, sich aus eigenem Antrieb für die Revolution einzusetzen, zunächst anonym. Sie studierte Bibel und Kirchenrecht, sie analysierte Predigten, Gesetzes- und Verfassungstexte, sie attackierte die Mächtigen mit ihren mitreißenden und packenden Pamphleten und verspottete die Ignoranten. Mit hohem moralischen Anspruch und in dem Bewußtsein, das Richtige und Gerechte zu tun, unterstützte sie Pastor Dulon, den populärsten Wortführer der Revolution in Bremen.

Doch dann wird sie – wie viele ihrer Mitstreiterinnen andernorts – vergessen. Zwar findet Marie Marie Mindermann später Verleger für ihre anderen, „unverfänglichen“ Texte, doch weder als „unpolitische“ Heimatdichterin“ noch als feministische Demokratin kennt sie kaum noch jemand. Schade, denn Bremen konnte mit Stolz auf sie verweisen! Schade, denn junge Bremerinnen können viel von dieser streitbaren Frau lernen. Die Begründung die Marie Mindermann für ihr kämpferisches Eintreten für eine humane Gesellschaft – schon während der Revolution gibt, ist noch immer aktuell: „Ich habe geschrieben, weil e skein anderer that. Wie soll e sbesser werden, wenn ein Jeder seinem Mund mit einem Siegel verschließ?“

Christine Holzner Rabe