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Hannover-Drück, Elisabeth (1928 – 2009)

Elisabeth Hannover-Drück,  geb. Drück, war eine emanzipatorische Autorin und Mitgründerin des Bremer Frauenmuseums e.V.

3.6.1928 in Maulbronn – 23.9.2009 in Bremen

Kurzinfo:

Elisabeth Drück war das zweite von fünf Kindern. Ihr Vater Karl Drück war Lehrer und studierter Philologe, ihre Mutter Elisabeth, geb. Wetz, hatte ebenfalls studiert. Elisabeth war eine sehr gute Schülerin, sie studierte Geschichte, Deutsch und Englisch. 1953 heiratete sie Heinrich Hannover, zog nach Bremen und bekam 6 Kinder mit ihm, später trennte sich das Paar. Sie war Lehrerin am Bremer Gymnasium Kippenberg, arbeitete als Historikerin und Übersetzerin und verfasste wissenschaftliche Publikationen. Darüber hinaus engagierte sie sich sozial und politisch. Ihr großes Interesse galt dabei den frauenpolitischen Themen und der Frauengeschichte. Sie war Mitgründerin des Bremer Frauenmuseums e.V., das sich für die Sichtbarmachung der Leistung von Frauen und der Frauengeschichte in Bremen einsetzt und verfolgte dieses Ziel beharrlich u.a. mit dem Projekt „Straßennamen“. Elisabeth Hannover-Drück wurde 81 Jahre alt. Sie war als sehr interessierte, emanzipierte und liebevolle Frau bekannt. (Juliane Benson)

Elisabeth war das zweite von fünf Kindern von Elisabeth Drück, geb. Wetz und des Lehrers Dr. Karl Drück. 1948 machte sie in Stuttgart das beste Abitur, was ihr ein Stipendium von monatlich 70 Mark für ihr Studium einbrachte. 1948 nahm sie das Studium der Fächer Deutsch, Anglistik und Geschichte an der Universität Freiburg auf und wechselte später an die Universität Tübingen, wo sie im neunten Semester die erste Staatsprüfung für das Lehramt an Höheren Schulen bestand. Dort wurde ihr auch von dem renommierten Historiker Hans Rothfels die Möglichkeit zur Promotion angeboten, die sie jedoch mangels Finanzierung ablehnte.

Sie heiratete 1953 den späteren Rechtsanwalt und bekannten Kinderbuchautor Heinrich Hannover und zog mit ihm nach Bremen. Dort wurden ihre sechs Kinder geboren. Nach der Trennung des Paares Mitte der 70er Jahre holte sie das Referendariat nach und unterrichtete bis 1992 am Gymnasium Kippenberg im Stadtteil Schwachhausen.

Mit der Berufsausbildung begann ihr frauenpolitisches Engagement, zunächst in der 1971 eröffneten Bremer Universität, wo sie – zusammen mit ihrer Mitstreiterin und Freundin Ute Gerhard, der Begründerin des ersten Instituts für Geschlechterforschung 1997 in Frankfurt am Main – einem aus Freiburg angereisten Gastprofessor die Leitung und Durchführung seines Kurses zur Frauengeschichte abnahm. Es folgten das Engagement in Gruppen der Neuen Frauenbewegung, die Leitung – gemeinsam mit Gleichgesinnten – von Volkshochschulkursen zu frauenrelevanten Themen, und 1991 die Mitgründung des Vereins „Bremer Frauenmuseum“, den sie bis 1999 als 1.Vorsitzende, bis zu ihrem Tod 2009 als aktives Mitglied vertrat. In beiden Funktionen hielt sie glänzende Vorträge, so im Frauen-Erwerbs- und Ausbildungsverein (FEAV) zur „Frauenerwerbsarbeit in Bremen in der Weimarer Republik“ und – als kritische Ergänzung der Reden zum „Preußenjahr 2001“ – zur Bedeutung der „Kaiserin Friedrich“, der in England geborenen Kronprinzessin Victoria und späteren Gattin des deutschen Kaisers Friedrich III (März-Juni 1888) für die deutsche Frauenbewegung, im Bremer Staatsarchiv zur Eröffnung der Ausstellung „1848-Marie Mindermann und die Revolution in Bremen“ oder im DGB-Haus über Rosa Luxemburg.

Sie war die Initiatorin wichtiger Vereinsprojekte: der Benennung von Bremer Straßen nach bedeutenden Frauen sowie der Erläuterung der Namensschilder mit Legenden, ebenso der Finanzierung des Projekts durch die Stiftung Wohnliche Stadt. Sie war es auch, die – nach gescheiterten Versuchen, eine Straße oder einen Platz nach Paula Modersohn-Becker zu benennen – nicht aufgab und schließlich erreichte, dass 2007 bzw. zum 100.Todestag der von der Stadt vernachlässigten großen Malerin wenigstens der Steg, der zwischen Theater und Kunsthalle über den Wallgraben führt, nach ihr benannt werden konnte. Mit der ihr eigenen feinen Ironie gab sie ihrer Einweihungsrede den Titel: „Der lange steinige Weg – zum Steg“.

Neben ihrem Beruf und ihrem frauenpolitischen Einsatz war sie aber ständig auch wissenschaftlich aktiv. Schon in den 60er Jahren verfasste sie – noch gemeinsam mit ihrem Mann – zwei historisch-politische Werke, wobei das erste von ihrem Vornamen nur den Anfangsbuchstaben angab, denn – so der Fischer-Verlag 1965 – „ein historisches Buch, an dem eine Frau mitgeschrieben hat, das kauft doch kein Mensch!“ (E.H-D. in ihrer Widmung eines Geschenk-Exemplars.

Eigene Werke entstanden während ihrer Arbeit als teilabgeordnete Lehrerin am Bremer Staatsarchiv. Darüber hinaus war sie an zahlreichen Ausstellungen und den dazu gehörenden Katalogen maßgeblich beteiligt, desgleichen an Sammelbänden und Lexika.

Als Mitglied des Beirats der seit 1981 erscheinenden Zeitschrift Feministische Studien übersetzte sie jahrelang wissenschaftliche Aufsätze aus dem Englischen. Unabhängig davon entstanden ihre Übersetzungen von Romanen des amerikanischen Autors Leonard Cohen („Schöne Verlierer“, „Das Lieblingsspiel“, in den 70er Jahren erschienen im März-Verlag, Frankfurt am Main).

Den wissenschaftstheoretischen Hintergrund ihrer Vorträge und Veröffentlichungen stellte sie im Exposé zu ihrer Forschungsarbeit über die „Kaiserin Friedrich“ dar: „Der Begriff ‚Gender‘ (Geschlecht)…orientiert sich an poststrukturalistischen Theoretikern wie etwa Michel Foucault, die Macht als ein sich fortwährend änderndes und damit auch veränderbares, gesellschaftliches Deutungsmuster (verstehen). Danach konstituiert sich etwa männliche Macht immer wieder in Auseinandersetzung mit oppositionellen Diskursen von weiblichen Machtinteressen. …Geschlechterforschung…verbindet also jede Erforschung der sozialen Lage von Frauen mit dem jeweiligen Geschlechterverhältnis und setzt sie in Bezug zum gesellschaftlichen Zusammenhang. …Das Erkenntnisinteresse richtet sich heute…nicht mehr (darauf)…einer an männlichen Normen ausgerichteten historischen Perspektive eine komplementäre ‚Frauengeschichte‘ hinzuzufügen; die feministischen Geschichtswissenschaften stellen heute die Muster der traditionellen Geschichtsschreibung selbst…in Frage.“ (Exposé, undatiert; Nachlass)

Sie war eine Intellektuelle und zugleich ein Mensch von großem Gefühl. Sie war politisch wie sozial engagiert. Sie war kreativ und betrieb die Realisierung ihrer Ideen mit bewundernswerter Beharrlichkeit. Darüber hinaus war sie sensibel für Schönheit, kultiviert und eine liebenswerte Gastgeberin.

Ihre Vorzüge mögen nicht immer und allen in ausreichendem Maße bewusst geworden sein, denn sie hielt sich persönlich zu sehr im Hintergrund. So ging erst aus ihrem Nachlass hervor, dass sie eindrucksvolle Gedichte schrieb.

Publikationen
Politische Justiz 1918 – 1933, Heinrich Hannover, Elisabeth Hannover-Drück, Fischer Bücherei, Frankfurt am Main 1966.
Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, Dokumentation eines politischen Verbrechens, Herausgegeben von Elisabeth Hannover-Drück und Heinrich Hannover, Edition Suhrkamp, Frankfurt am Main 1967.
Dem Reich der Freiheit werb‘ ich Bürgerinnen, Die Frauen-Zeitung von Louise Otto, Herausgegeben u. kommentiert von Ute Gerhard, Elisabeth Hannover-Drück und Romina Schmitter, Syndikat, Frankfurt am Main 1980.
Bremer Frauen in der Weimarer Republik 1919-1933, Dokumentation zur Ausstellung, hrsg. vom Staatsarchiv Bremen 1987, Elisabeth Hannover: Die Kapitel Politik und Arbeit.
Rosa Luxemburg, Hrsg. von Kristina von Soden. Berlin Elefanten Press 1988, Darin: Elisabeth Hannover: Der Mord.
Nieder die Waffen – die Hände gereicht! Friedensbewegung in Bremen 1898-1958, Katalog zur Ausstellung des Staatsarchivs Bremen. Donat Verlag Bremen 1989, darin Texte von Elisabeth Hannover: Albert Kalthoff und die Gründung der Bremer Ortsgruppe der Deutschen Friedensgesellschaft, Aktivitäten der Bremer Sozialdemokratie gegen Militarismus und Krieg vor 1914, Organisationen und Positionen der Friedensbewegung im Überblick, Aktivitäten der Deutschen Friedensgesellschaft in Bremen, Aussöhnung mit Frankreich, Polen und Dänemark.
Bilder zur Frauenbewegung im 19. Jahrhundert, Broschüre zur Ausstellung im Staatsarchiv Bremen. Hrsg. Staatsarchiv Bremen und ZGF. Bremerhaven 1990, darin: Elisabeth Hannover-Drück: Bremer Frauen in der Weimarer Republik. Die Einführung des Frauenstimmrechts und die Entwicklung der weiblichen Erwerbstätigkeit.
Renate Meyer-Braun (Hrsg.): Frauen ins Parlament! Portraits weiblicher Abgeordneter in der Bremischen Bürgerschaft. Bremen 1991 Darin: Elisabeth Hannover-Drück: Elisabeth Lürssen (1880-1972).
Die Ausübung des Frauenwahlrechts in Bremen 1918-1933, Texte und Materialien zum historisch-politischen Unterricht, Hrsg. vom Staatsarchiv Bremen. Bremen 1991.
75 Jahre Frauenwahlrecht zur Bremischen Bürgerschaft, Dokumentation zur Ausstellung, hrsg. vom Verein Bremer Frauenmuseum. Bremen 1994, Darin: Elisabeth Hannover-Drück: Zur Ausstellung, sowie Mitgestaltung der Bereiche Weimarer Republik und Wo stehen wir Frauen heute?
Hausgehilfinnen, Angestellte und Arbeiterinnen, Frauenerwerbsarbeit in Bremen zur Zeit der Weimarer Republik 1919-1933, Texte und Materialien zum historisch-politischen Unterricht, Kleine Schriften des Staatsarchivs Bremen, Heft 26. Bremen 1996.
Marie Mindermann und die Revolution von 1848 in Bremen, Dokumentation zur Ausstellung „Ein streitbares Frauenzimmer“ .Hrsg. vom Bremer Frauenmuseum e.V. Bremen 1999, Darin: Elisabeth Hannover-Drück: Rede zur Eröffnung der Ausstellung , Kindheit und Jugend von Marie Mindermann, Die rechtliche Situation der Frauen, Versuch, Dulon abzuwählen. Eine Spielszene, Marie Mindermann im Rembertistift, Marie Mindermann und die „berühmten“ Frauen der Revolution von 1848.

Romina Schmitter

Literatur und Quellen:
Graichen-Drück, Gudrun unter Mithilfe von Jakob: Elisabeth Drück, geb. Wetz 1901 – 1992, Bonn 1993 (Typoskript).
Nachlass Elisabeth Hannover-Drück (Privatbesitz).