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Meinders, Margaretha (1864 – 1935)

Margaretha Meinders, geb. Plock, rettete ein Schiff  aus Seenot.

28.12.1864 in Papenburg – 12.1.1935 in Bremen

Margaretha war die Tochter eines Schmiedemeisters in Papenburg. Reeder, Kapitäne und Werftunternehmer unterstützten sich gegenseitig in ihren Schifffahrtsgeschäften. So verwundert es nicht, dass Margaretha 1883 den Papenburger Kapitän Hermann Meinders heiratete, der seit 1878 den Dreimastschoner „Johanna“ in weltweiter Fahrt führte. Dieser war zu einem Drittel an dem Schiff beteiligt. Die insgesamt achtköpfige Besatzung der „Johanna“ bestand vor allem aus Seeleuten der Region; auch ein Cousin der Kapitänsfrau, der Matrose Hermann Plock, war an Bord. Auf solchen Schiffen herrschte ein familiärer Ton.

Margaretha Meinders begleitete ihren Mann nach ihrer Hochzeit viele Jahre zur See. Die Reisen der ostfriesischen Segelschiffe führten nach Brasilien, in die Karibik oder nach Riga. Auch Kinder waren auf Überseereisen dabei, solange sie noch nicht schulpflichtig waren. In der Papenburger Stadtchronik von 1913 heißt es: „Von jeher war es Sitte der Papenburger, daß Kapitäns-Frauen soviel wie möglich die Gefahren des Seelebens mit ihren Männern teilten.“[1]

1893 gebar Margaretha Meinders ihren ersten Sohn, den sie mit auf See nahm, bis er zur Schule gehen musste. Nach der Geburt des zweiten Kindes 1887 kam sie mit ihrer Tochter Susanne wieder an Bord. Wie viele andere Kapitänsfrauen auch, lernte sie während der langen Seereisen, die Position des Schiffes zu bestimmen. Sie beherrschte auch andere seemännische Arbeiten, was sich bei einer Havarie des Schiffes im Jahre 1890 für Schiff und Besatzung als großes Glück erwies:

Auf der Reise von Mauritius nach Melbourne im April dieses Jahres kursierte an Bord ein Fieber, an dem binnen drei Wochen vier Mann der Besatzung starben. Margaretha M. half, die Kranken zu versorgen, und als auch der Koch starb, übernahm sie seinen Dienst. Gewöhnlich war die Kombüse auf Segelschiffen kein Betätigungsort für Frauen. Die traditionelle Hierarchie der Besatzung und ihre Aufgabenverteilung mussten um jeden Preis gewahrt werden, wenn man Unfrieden vermeiden wollte.

Wegen der geringen, vom Fieber geschwächten Besatzung der „Johanna“ konnten nicht mehr alle Segel gesetzt werden, so dass sie vermutlich auch beim Segelsetzen und –bergen mit anfasste. Schließlich geriet die „Johanna“ in einen schweren Sturm, der das Schiff stark beschädigte. Es hatte ein Leck im Rumpf, so dass permanent Wasser in das Schiff eindrang. Der erkrankte Kapitän entschied, dass Ladung über Bord geworfen werden sollte, um das Schiff zu leichtern. Zu diesem Zeitpunkt waren nur noch der Steuermann Hermann Heyen und Margaretha M. einsatzfähig. Der Steuermann hatte sich von seinem Fieber etwas erholt, der Kapitän, der Matrose Hermann Plock und der Schiffsjunge Rüther waren so krank, dass sie nicht arbeiten konnten. Also wechselten sich Kapitänsfrau und Steuermann bei der Bedienung der Pumpen ab. Gemeinsam mit dem Steuermann schaffte sie es an einem Tag, 300 Säcke Zucker über Bord zu werfen, damit das Schiff nicht sank. Insgesamt beförderten die beiden 520 Zuckersäcke mit Hilfe einer mechanischen Ladewinde aus dem Schiffsinnern über Bord. Die Kapitänsfrau brachte das Schiff zusammen mit dem Steuermann vor den australischen Hafen Freemantle, der als Nothafen angepeilt worden war. Dabei muss sie sich am Ruder mit dem Steuermann abgewechselt haben. Vor Freemantle kamen der Lotse und der Hafenarzt an Bord.

Wie Dokumente der australischen Hafenbehörden zeigen, war es Margaretha M. gewesen, die vor der Küste von Freemantle die Flaggensignale gegeben hatte. Sie und ihre dreijährige Tochter Susanne waren als einzige an Bord die ganze Reise über gesund gewesen.

Nachdem sich die Überlebenden der Havarie in Freemantle erholt hatten und die Besatzung durch neue Seeleute verstärkt worden war, ging die Reise weiter nach Melbourne. Wieder geriet das Schiff in einen schweren Sturm, der aber diesmal ohne Schaden überstanden wurde. Doch starb Kapitän M. unterwegs an den Folgen des Fiebers. In Melbourne wurde die Witwe Margaretha M. als Seeheldin gefeiert. Sie erhielt von der Versicherung des Schiffes eine Gratifikation und eine goldene Uhr. Mit dem Postdampfer „Nürnberg“ des Norddeutschen Lloyd Bremen reiste sie mit ihrer Tochter nach Deutschland zurück.

Während über die Rettungsaktion der „Johanna“ in vielen australischen Blättern berichtet wurde,[2] zeigten sich die deutschen Zeitungen zurückhaltend. Nur in der Ems-Zeitung wurde am 20.10.1890 eine Meldung über Margaretha M. abgedruckt:

„Papenburg, Oct. (Belohnung einer Schifferfrau.) Vor einigen Wochen meldeten australische Blätter, dass auf dem Wege von Mauritius nach Melbourne ein Papenburger Schooner seinen Kapitän Meinders und alle Matrosen verloren und dann von der entschlossenen Witwe und ihren Töchterchen und dem auch an Krankheit (Fieber) befallenen, aber allmählich genesenden Steuermann nach Melbourne heil binnengebracht sei. Laut „Argus“ hat die heroische Aufopferung der allen Schicksalsschlägen und dem winterlichen Sturmwetter Trotz bietenden Frau dahin ihren Lohn gefunden, dass die Versicherer der geretteten Zuckerladung im Werthe von 8130 Pfd. St. der Frau Wittwe Meinders eine goldene Uhr nebst 50 Pfd. St. und dem Steuermann Heyen 25 Pfd. St. in Baar geschenkt haben. Die Uhr trägt die Inschrift: „Margaretha Meinders von den Versicherten des deutschen Schoners „Johanna“, geschenkt in Anerkennung ihres heroischen Benehmens auf der Reise von Mauritius nach Melbourne.“

Die seemännischen Kompetenzen der Kapitänsfrau erschließen sich nur aus den australischen Dokumenten der Hafenbehörde in Freemantle, einigen australischen Zeitungen sowie aus dem einzigen Interview, das Margaretha M. in Sydney am 13.9.1890 einem Reporter der Wochenzeitung „Illustrated Sydney News“ gab. Gewöhnlich war es nicht üblich, dass Frauen in eigener Sache öffentlich Stellung bezogen, doch in Sydney, einem Zwischenhalt des Dampfers „Nürnberg“, gab es niemanden, der für sie sprach. Margaretha gab an, dass sie die Seefahrt liebte, alle seemännischen Arbeiten beherrschte, dass sie navigieren konnte und vom Segeln mehr verstand als von Krankenpflege. Außerdem sagte sie:

„Eines Tages hörte ich meine Kleine schreien. Ich hatte sie in der Kajüte eingeschlossen, die fußhoch unter Wasser stand. Fast ununterbrochen schrie sie: „Mutter, Mutter!“ Alles was ich antworten konnte, war: ‘Si du man still, Susanne, ik kumm jo gliek.’ Sie konnte meine Stimme bei dem heulenden Wind nicht hören, trotzdem konnte ich nicht aufhören zu ihr herüberzuschreien. Einmal hatte sie so lange aufgehört, dass ich fürchtete, es sei etwas passiert. Ich konnte es nicht länger aushalten, band das Steuerruder fest und rannte zur Kajüte. Das ständige An-die-Tür-hämmern und Schreien nach mir hatte sie völlig erschöpft, und sie war auf dem Sofa eingeschlafen. Ich küsste sie und rannte zurück zu meiner Aufgabe.“[3]

Aus dieser Aussage und dem Umstand, dass nur zwei Personen an Bord arbeitsfähig waren, geht hervor, dass Margaretha M. an den Segeln gearbeitet hat und am Ruder stand. Doch auch das Seeamtsprotokoll erwähnt seemännische Arbeiten nicht.

Aus überlieferten Aussagen des Matrosen Plock[4] über die Unglücksreise der „Johanna“ geht hervor, dass die Seeleute der „Johanna“ sich sehr über die Würdigung der Margaretha M. als Seeheldin ärgerten, weil sie sich in ihren eigenen Leistungen ignoriert fühlten. Erst 1935, 45 Jahre nach dem Ereignis, wurde Margaretha M. mit einem Denkmal und einem Roman bedacht. Papenburger Nationalsozialisten beauftragten den Osnabrücker Volkschullehrer Ludwig Bäte, die Aktionen der „tapferen Kapitänsfrau“ auf dem Schoner „Johanna“ so zu präsentieren, dass sie als nationalsozialistisches Frauenideal betrachtet werden konnte. Als das Werk mit dem Titel „Schooner ‚Johanna‘ “ 1935 erschien, empörten sich zehn Papenburger Kapitäne über den Inhalt des Buches in einer Resolution, die sie in der Papenburger Ems-Zeitung vom 21.11.1936 abdrucken ließen. Darin bescheinigten sie dem Autor Ludwig Bäte, dass er keine Ahnung von der Seefahrt habe und den Ruf noch lebender Papenburger Seeleute geschädigt habe. Margaretha M. kam in der Resolution nicht vor; dabei hätte die inzwischen Verstorbene allen Grund zur Klage über die Verunglimpfungen gehabt, mit denen Bäte sie bedacht hatte.

Im gleichen Jahr wurde ihr zu Ehren ein Anker als Denkmal eingeweiht.

Margaretha Meinders ist die einzige deutsche Frau, deren Aktionen um die Rettung eines Segelschiffs im 19.Jahrhundert – wie verzerrt auch immer – öffentlich geworden sind. Die internationale Forschung kennt inzwischen zahlreiche Beispiele weiterer Frauen, die in Seenot beherzt zupackten und Schiffe retteten.[5]

In Papenburg erinnern bis heute die Margaretha-Meinders-Straße und das Denkmal, ein Anker in einer Windrose, an den Einsatz der Kapitänsfrau zur Rettung des Schoners „Johanna“. Die Inschrift auf dem Messingschild: „Zum Andenken an die tapfere Papenburgerin Margaretha Meinders“ ist inzwischen verschwunden. Nach dem Tod ihres Mannes heiratete sie nicht wieder. Später zog sie nach Bremen, wo sie 1935 starb. Sie wurde auf dem Riensberger Friedhof in Bremen begraben, ihre Grabstelle wird seit 2010 als Kulturdenkmal von der Stadt Bremen erhalten.

Dr. Ursula Feldkamp

Anmerkungen:
[1] Meyer, Rudolph, H.: Papenburg als Schifferstadt. In: Festschrift zur Einweihung des neuen Rathauses der Stadt Papenburg. Papenburg 1913, S.177f.
[2] Eine Auswahl wurde abgedruckt in Meyer, Jürgen: Vom Moor zum Meer. Papenburger Schiffahrt in 3 Jahrhunderten. Norderstedt 1976, S.184ff.
[3] Englische und deutsche Version in: Feldkamp, Ursula: Frauen an Bord von Frachtsegelschiffen in autobiografischen Quellen 1850-1939. Darin: Margaretha Meinders, Konstruktion einer Seeheldin, eine Medienrezeption, Bremerhaven/Wiefelstede 2014, S.188-205, S.197.
[4] Niederschrift eines mündlichen Berichts des Matrosen Hermann Plock in den 1930er Jahren durch seinem Sohn, Reinhard Plock, abgeschrieben 1972 von Susanne Kusbers, Bremervörde. Archiv Deutsches Schiffahrtsmuseum.
[5] Z.B. de Pauw, Linda Grand: Seafaring Women. Boston 1982; She captains: Heroines and hellions of the sea. Touchstone 2001.

Literatur und Quellen:
Feldkamp, Ursula: Frauen an Bord von Frachtsegelschiffen in autobiografischen Quellen 1850-1939. Bremerhaven/Wiefelstede 2014, S.188-205.
Meyer, Jürgen: Die tapfere Kapitänsfrau vom Schoner „Johanna“. In: Stalling’s maritimes Jahrbuch. Oldenburg 1976/77, S.24-30.
Meyer, Jürgen: Vom Moor zum Meer. Papenburger Schiffahrt in 3 Jahrhunderten. Norderstedt 1976.