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Rogge, Marie (1817 – 1890)

Marie Rogge, geb. Koch, mischte sich politisch ein.

20.8.1817 – 1890

Wir wüssten heute – ähnlich wie über Margarethe Kramer – kaum etwas über sie, wenn die Polizei in den unruhigen Jahren der Revolution von 1848-1854 nicht auch ihre Briefe konfisziert hätte, die sie in der Zeit vom 9.3.1851 bis zum 25.5.1851 an ihren Ehemann, den Tabakkaufmann und demokratischen Bürgerschaftsabgeordneten Henrich Levin Rogge (1818-1858), schrieb.

Die Familie war von behäbigem Wohlstand, der Marie in die Lage versetzte, sich eine Samtmantille zu wünschen, feinen Tee zu trinken und aus dem eigenen Überfluss für notleidende Menschen etwas abzuzweigen. Nachmittage und Abende boten Stunden der Muße, der Erbauung und der Erholung. Ihre günstige Lebenssituation befähigte sie, anders als Margarethe Kramer, die mit der Existenzsicherung beschäftigt war, sich aktiv in die Politik einzumischen. Sie versuchte hochengagiert, aber meist vergeblich, zwischen den führenden Demokraten, den Trägern der revolutionären Bewegung, dem von ihr bewunderten Pastor Rudolf Dulon (1807-1870), der zu immer radikaleren Positionen fand, und ihrem Onkel, dem Tischlermeister Cord Wischmann (1800-1847), zu vermitteln. Klug erkannte sie – und wies immer wieder darauf hin – wie der Streit unter den Revolutionären nur der Bewegung selbst schade und der Restauration in die Hände spiele. Im Mai 1851 berichtete Marie Rogge von den Menschen, die, als die demokratischen Reformen außer Kraft gesetzt worden waren, mit Steinen in den Händen bereitstanden, um „dreinzuschlagen“, weil die Errungenschaften der Revolution außer Kraft gesetzt worden waren. Doch die Demokraten wiegelten ab, um einen Bürgerkrieg zu vermeiden. Marie Rogge bedauerte enttäuscht diese Beschwichtigungen und schrieb: „Ich für mein Theil wollte, dem Senat wäre die Hölle heißgemacht“.[1]

Des Weiteren initiierte sie mit anderen Frauen eine Frauenlotterie zur Linderung des Flüchtlingselends in der Schweiz, was ihr in Dulons Tageschronik eine öffentliche Belobigung eintrug. Mit ihr arbeiteten zusammen: Anna Bredeker, Julie Dulon, Helene Eisenhardt, Marie Meyer, Julie Seemann, Friederike Wischmann und Emma Wulstein. Im März 1852 handelte sie ein letztes Mal für die Sache der Demokratie. Sie war eine der Organisatorinnen der Unterschriftensammlung gegen die Suspension Dulons. Innerhalb kürzester Frist brachten die demokratischen Frauen in Bremen 5356 Unterschriften zusammen und petitionierten unter Anteilnahme einer großen Menschenmenge beim Bremer Senat. Sie war mit Meta Claußen und Anna Knigge eine der drei Frauen, die die Petition im Rathaus übergaben. Bürgermeister Smidt klassifizierte sie als „wohlgekleidete und sich sehr anständig benehmende Frauenzimmer.“[2]

Doch der Kampf um die Demokratie war verloren. Am 6.7.1852 telegraphierte man von Bremerhaven nach Bremen: „Madame Rogge hier. Will dem Vernehmen nach Helgoland, ist dieselbe zu arretieren.“[3] Doch offensichtlich war sich die bremische Obrigkeit ihrer Macht gewiss. Marie Rogge durfte zu ihrem Mann reisen, der nach einer Verhaftungswelle Ende März 1852 nach Helgoland ausgewichen war. 1858 starb Henrich Levin Rogge, der vom April 1849 bis März 1852 und von Dezember 1854 bis August 1858 Abgeordneter der bremischen Bürgerschaft gewesen war.

1890 wurde Marie Rogge letztmalig im Adressbuch als Henrich Levin Rogges Witwe in der Mathildenstraße 85 aufgeführt.

Hannelore Cyrus

Anmerkungen:
[1] StAB,4,14/1-XII.C.1.a. Henrich Levin Rogge u.a., 17.5.1851.
[2] Biebusch, S. 264.
[3] Wie Anm.1.

Literatur und Quellen:
Biebusch, Werner: Revolution und Staatsstreich. Verfassungskämpfe in Bremen 1848 – 1851, Bremen 1973.
Cyrus, Hannelore: Zu traurig ist es jetzt, Pfaffenweiler 1991.
Gudera, Alice, in: Cyrus Hannelore: Denn ich will aus mir machen das Feinste. Malerinnen und Schriftstellerinnen im 19.Jahrhundert, Bremen 1987.
Houbraken, Arn.: De Groote Schouburgh, Faksimile Maastricht 1944.
StAB,4,14/1-XII.C.1.a. Henrich Levin Rogge u.a.