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Thimme, Magdalene (1880 – 1951)

Magdalene Louise Marie Charlotte Anna Thimme engagierte sich im Kirchenkampf und in der Gemeindearbeit.

3.11.1880 in Lohe – 12.5.1951 in Bremen

Magdalene wuchs als drittjüngste von elf Geschwistern in einer Pfarrersfamilie auf. Ihr sehr unkonventioneller Bildungsweg führte sie als Vierzehnjährige nur für ein Jahr auf eine öffentliche Mädchenschule, im Übrigen war sie im Haus vom Vater unterrichtet worden. Sie selbst gab nach dem Examen auf dem Lehrerinnenseminar ihr neuerworbenes Wissen erst einmal an die jüngeren Brüder weiter. Dann verschaffte sie sich durch dreijährige praktische Arbeit als Lehrerin den Zugang zum Universitätsstudium, das sie 1905 in Göttingen mit den Fächern Theologie, Englisch und Deutsch aufnahm.

1913 kam sie nach Bremen und fand im Oberlyzeum von August Kippenberg mit angeschlossenem Seminar die ihr gemäße Tätigkeit. Die unvergleichliche Wirkung ihrer Person als Lehrerin beruhte einerseits auf dem hohen Niveau ihres mitreißenden Unterrichts, der den Schülerinnen den Einsatz all ihrer Fähigkeiten abverlangte, andererseits auf der engagierten Zuwendung zur Person jedes einzelnen Mädchens und auf der unwiderstehlichen Ausstrahlungskraft ihres zielgerichteten Willens. Den hohen moralischen Anspruch, den sie an sich stellte, richtete sie auch an ihre Schülerinnen, die sie stark beeinflusste. Viele waren ihr schwärmerisch zugetan; alle empfanden ihren formenden Zugriff, und nur wenige hatten die Kraft, sich offen gegen ihre kompromisslos vorgetragene Meinung zur Wehr zu setzen. Ihr Unterricht begeisterte; aber vor allem die Deutsch- und Religionsstunden sollten nicht nur der Wissensvermittlung dienen, sondern der Lebensorientierung und Wegweisung.

Dass eine von tiefer Religiosität und einem rigorosen Wahrheitsanspruch geprägte Persönlichkeit wie sie sich dem Nationalsozialismus nicht anpassen konnte, liegt auf der Hand. Im Unterricht machte sie aus ihrer Einstellung niemals einen Hehl. Schülerinnen berichten, dass sie offen gegen die Judenverfolgung Stellung bezog. Das führte zu Schwierigkeiten; aber zum Eklat kam es erst, als sie sich weigerte, einer Unterorganisation der NSDAP beizutreten.

Zum ersten Mal warf sie der Schulbehörde den Fehdehandschuh hin, als sie den Beamteneid, den sie nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums 1934 abgelegt hatte, nachträglich in einer schriftlichen Erklärung gegenüber ihrem Dienstherrn einschränkte. Entsprechend der Eidesformel „so wahr mir Gott helfe“ bekannte sie, dass sie den Gehorsam gegen Gottes Wort im Zweifelsfall über das Gebot der Obrigkeit stellen müsse. Diese Erklärung wurde vom Dienstherrn, offenbar um sie zu schützen, als Ausdruck eines Gewissenskonflikts bezeichnet, der die Behörde nicht berühre.

Als sie aufgrund einer Denunziation von der Gestapo verhört wurde, erging an sie auch die Aufforderung, in die NS-Volkswohlfahrt einzutreten. Das lehnte sie ab mit der Begründung, dass unheilbar Kranke und Nichtarier von der NSV nicht unterstützt würden, was für sie als Christin unannehmbar sei. Der Regierende Bürgermeister betrieb daraufhin ihre Entlassung. Der nationalsozialistische Geist sei ihr fremd geblieben und sie deshalb als Erzieherin im „Dritten Reich“ nicht geeignet. Ostern 1938 musste sie den Dienst quittieren.

Die Gemeindeleitung von Alt-Stephani-Süd protestierte in zwei Schreiben an den Reichserziehungsminister Rust gegen die Zwangspensionierung ihres Gemeindemitgliedes und brachte den Vorgang auf den Punkt, als sie feststellte, „dass ein christlicher Beamter aus dem Amt entfernt wird, weil er seinen Glauben ausspricht und nach ihm handeln will.“ In dieser Gemeinde, die sich zur Bekennenden Kirche zählte und seit Jahren im Kirchenkampf stand, fand sie nach ihrer Entlassung ein reiches Betätigungsfeld. Sie gehörte dem Bruderrat an und leitete den Helferinnenkreis.

Zusammen mit Pastor Greiffenhagen hatte sie ein Referat über die „Grundlagen der evangelischen Kirche“ zu Papier gebracht, das im Februar 1935 der Ersten Bremischen Bekenntnissynode zur Abstimmung vorgelegt worden war. In kongenialer Zusammenarbeit legten Greiffenhagen und sie das Bekenntnis der Gemeinde zu Taufe, Konfirmation und Abendmahl nieder.

Sie war von einem rücksichtslosen Kampfgeist beseelt; ängstliche Menschen verachtete sie. Als im Krieg schließlich alle Pastoren eingezogen waren, „verwaltete Magdalene T … nun auch das Pfarramt“, wie Greiffenhagen bezeugt. Sie erarbeitete mit der Gemeindeleitung die Predigten, die dann am Sonntag verlesen wurden. Sie hielt den Konfirmandenunterricht ab und versorgte die Soldaten und evakuierten Kinder der Gemeinde mit geistlicher Unterweisung. Ihrer nie nachlassenden Energie war es zu danken, dass in der Gemeinde trotz Bomben und Zerstreuung in alle Winde keine Bibelstunde und kein Kindergottesdienst ausfielen und der Zusammenhalt gewahrt blieb.

Dem Pazifismus begegnete sie auf Reisen in England und Schottland. Ihre Erkenntnis, dass ein Christ keinen Kriegsdienst leisten dürfe, versuchte sie im 2.Weltkrieg in ihrer Gemeinde Anerkennung zu verschaffen. Ihr 1950 verfasstes „Wort zum Frieden“, in dem sie gegen die Remilitarisierung Stellung bezog, wurde von St. Stephani angenommen und veröffentlicht.

Nach dem Krieg ging sie an eine lange geplante, große Aufgabe heran. Sie verfasste die Kirchengeschichte, die auch unter pädagogischen Gesichtspunkten befriedigen sollte. Noch ehe dieses Werk im Druck erschien, starb sie 71-jährig an Lungenkrebs. Ihr Grab befindet sich auf dem Riensberger Friedhof.

Elisabeth Hannover-Drück

Publikationen
Evangelische und protestantisch von Luther aus gesehen. Vortrag zum Geburtstag Luthers. SG 1934
Wort zum Frieden, in: Jung, R. (Hrsg.): Wir sind in die Irre gegangen. Evangelische Kirche und Politik in Bremen 1933 bis 1945, Bremen 1984
Die Geschichte der Kirche Jesu Christi, 3 Bände, 2. Aufl. Berlin 1966

Literatur und Quellen
Butterwegge, Christoph: Friedenspolitik in Bremen, Bremen 1989
Greiffenhagen, Gustav: Erinnerungen an Magdalene Thimme, o.J. (1951)
Meyer-Zollitsch, Almuth: Nationalsozialismus und evangelische Kirche, Bremen 1965
Röpcke, Andreas u.a.: 850 Jahre St. Stephani, Bremen 1990/Archiv Stephani-Gemeinde.