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St. Remberti-Stift – FrauenOrt

Rembertistraße 27 in Bremen

Das St. Remberti-Stift, dessen Wohnhausanlage zwischen der Straße Am Dobben, der Hoppenbank, dem Rembertiring und dem nördlichen Teil der Rembertistraße gelegen ist, geht auf ein mittelalterliches Hospital zunächst für Aussätzige, seit dem 16.Jahrhundert für Schwerkranke, dann für gesunde, aber alte Menschen zurück, die für die Zahlung einer Einkaufssumme in einem der kleinen Wohnhäuser ein lebenslanges Wohnrecht erwarben.

Ein FrauenOrt wurde das Stift zuerst dadurch, dass seit der 2.Hälfte des 19.Jahrhunderts die „Prövener[1]…zum größten Teil Witwen und unverheiratete Frauen“ waren und „berufstätige Frauen und Männer sowie Ehepaare“ die „Minderheit“ ausmachten.[2]

Ein FrauenOrt von Bedeutung aber wurde das Stift durch die zunehmende Zahl von Bewohnerinnen aus den Sozialen Bewegungen Bremens. Typische Beispiele dafür sind die politische Schriftstellerin Marie Mindermann (1808-1882), die Reformpädagogin und Feministin Magda Böttner (1858-1937) und die Sozialpolitikerin Gertrud Maaß bzw. Maass, geb. Wellhammer. Marie Mindermann kam aus dem Handwerksstand; ihr Vater war Drechslermeister. Da ihr eine über den Besuch von Klipp- und Domschule hinausgehende Bildung aus Kostengründen verweigert wurde, sie aber lernen wollte, entwickelte sie sich zur Autodidaktin. Dass sie als schon ältere Frau damit begann ebenso kenntnisreiche wie satirische Schriften gegen den bremischen Staat und die Kirche zu schreiben, ging auf ihre leidenschaftliche Identifizierung mit den Forderungen der 48er-Revolution zurück. Dass sie als solche bekannt geworden ist – sie schrieb anonym – war eine Folge ihrer Inhaftierung im damaligen Detentionshaus im Ostertor. Ihre Biografin Hannelore Cyrus hat jedenfalls „Zweifel, ob wir heuten wüßten, daß Marie Mindermann die Schriften verfaßt hat, wenn sie nicht durch…(Beugehaft) zur Preisgabe ihres Namens gezwungen worden wäre.“[3]

Die letzten 26 Jahre ihres Lebens – von 1856 bis 1882 – lebte Marie Mindermann zusammen mit ihrer Freundin Caroline Lacroix in dem 3.Haus, das rechts vom Eingang liegt, der vom Rembertiring aus zum Innenhof der Wohnanlage führt. Nach der bis zur Gebäudesanierung von 1986 geltenden Nummerierung hatte das Haus die Nummer 26; danach wurde es mit den Häusern 27 und 28 unter der neuen Nummer 7 zu einer Einheit verbunden.[4]

Als ihre Nachfolgerin Magda Böttner 1903 im Alter von 45 Jahren in das zur Hoppenbank gelegene Haus Nr.12 einzog, das den rechten Teil der drei Wohneinheiten ausmachte, wäre das nach der alten Nummerierung die Nr.16 gewesen.[5]

Anders als Marie Mindermann kam Marie Böttner aus einem bildungsorientierten Elternhaus; der Vater war Buchhalter und Lehrer der Handelswissenschaft. Sie hatte Zugang zur Höheren Mädchenschule, besuchte das Lehrerinnenseminar von August und Johanne Kippenberg und war 1881 eine der ersten Lehrerinnen, die der Bremer Senat „versuchsweise“ einstellte. Über ihr Engagement für die damalige Reformpädagogik hinaus engagierte sie sich berufspolitisch im Verein Bremischer Lehrerinnen (VBL) und Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein (ADLV), frauenpolitisch war sie im 1910 gegründeten Frauenstadtbund und in der überregionalen Stimmrechtsbewegung sogar international aktiv, indem sie an entsprechenden Kongressen in Amsterdam und London teilnahm und dort sogar das Banner der englischen Suffragetten führte.

Dagegen erscheint das Leben der aus der Arbeiterschicht kommenden Gertrud M. weniger spektakulär gewesen zu sein, insofern als sie sich auf ihre sozialpolitische Arbeit und darin auf Bremen konzentrierte. Aber vor dem Hintergrund ihrer schlechteren Voraussetzungen ist ihr Einsatz in der Gewerkschaft der ÖTV, in der Partei der SPD und als Mitglied der Bremischen Bürgerschaft (20 Jahre) nicht hoch genug einzuschätzen. Hinzukommt, dass sie als verheiratete Frau und Mutter von zwei Söhnen ständig berufstätig blieb. Entsprechend konnte sie als Politikerin mit ihren lebensnahen Erfahrungen umso überzeugender agieren.

1977 bezog sie – 2 Jahre nach ihrem Ausscheiden aus der Politik – mit ihrem Mann eine Wohnung in dem Gebäude, das parallel zur Straße Am Dobben liegt. Sie „wirkte…viele Jahre im Vorstand des St. Remberti-Stifts, wo ihre langjährige sozialpolitische Erfahrung sehr willkommen war.“[6] Rechts vom Eingangstor von der Rembertistraße aus ist eine Tafel angebracht, die auf die Bewohnerinnen Marie M. und Magda B. und ihre Bedeutung für die bremische Frauenbewegung hinweist.[7] Der Name von Gertrud Maass fehlt, aber nur deshalb, weil sie zur Zeit der Beschilderung noch im Stift lebte und die Schilder des Bremer Zentrums für Baukultur (BZB) nur an verstorbene Persönlichkeiten erinnern.

Zum Rembertistift als FrauenOrt gehören aber auch die seit 1971 wiederhergestellte Selbständigkeit, die 1944 an die Stadt abgetreten worden war, sowie der seit 1973 für die Gebäude geltende Denkmalschutz; denn beide gehen auf die Initiative der 1.Bremer Bürgermeisterin Annemarie Mevissen zurück.

Anmerkungen
[1] “Pröven” sind Wohneinheiten im St. Rembertistift. Sie konnten seit der Mitte des 16.Jhdts. gegen Zahlung einer Einkaufssumme – Ende desselben Jhdts. etwa 150 Taler – lebenslang bewohnt werden. Heizung und Verpflegung kosteten zusätzlich etwa 23 Taler. Nach dem Tod des Pröveners ging dessen Vermögen in den Besitz des Stifts über. Heute sind die “Pröven” Mietwohnungen.
[2] Schwarzwälder, Bd.2, S.722.
[3] Cyrus, S.41.
[4] Großmann, S.86.
[5] ebda.
[6] Meyer-Braun, in: Frauen Geschichte(n), Maaß, Gertrud, S.216.
[7] Auf Initiative des Bremer Frauenmuseum e.V. vom Bremer Zentrum für Baukultur und dem Senator für das Bauwesen angebracht.

Literatur und Quellen
Cyrus, Hannelore: Mindermann, Marie, in: dies. u.a. (Hrsg.): Bremer Frauen von A bis Z, Bremen 1991, S.40-44.
Großmann, Heike/Großmann, Ruprecht: Das St. Remberti-Stift. Bremens älteste soziale Siedlung im Wandel der Zeiten, Lilienthal o.J. (1998).
Meyer-Braun, Renate: Maaß, Gertrud, geb. Wellhammer, in: Bremer Frauenmuseum e.V., Contzen, Regina/Laudowicz, Edith/Schmitter, Romina (Hrsg.): Frauen Geschichte(n). Biografien und FrauenOrte aus Bremen und Bremerhaven, Bremen 2016.
Schwarzwälder, Herbert: Das große Bremer Lexikon, Bd.2 L-Z, Bremen 2003.
https://de.wikipedia.org/wiki/St.-Remberti-Stift.

Romina Schmitter