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Museumsbesuche: Analyse unter Genderaspekt

Im Rahmen unserer Fragestellung, inwieweit in Museen ein genderspezifischer Ansatz in der Gesamtpräsentation und in der Darbietung einzelner Objekte zu erkennen ist, besuchten wir 2011 exemplarisch zwei Bremer Museen: das Überseemuseum und das Focke-Museum.

Besuchs der Bremen-Abteilung im Überseemuseum
am 5.11.2011

Ausgehend vom Namen bzw. der Zweckbestimmung des Museums und von der Gesamtwirkung der Räume befassten wir uns mit den dominanten Sichtachsen, den Hervorhebungen von Objekten und den Hauptobjekten zugeordneten Beschriftungen bzw. weiteren Objekten, der Lichtgebung und der durch die Farbgebung ausgelösten Stimmung.
Bei der Analyse beschäftigten wir uns zunächst mit der Gesamtaussage der besuchten Räume und hatten übereinstimmend den Eindruck, das sowohl der Eingangsbereich mit der Dominanz der Objekte der Schifffahrt durch die Akzentuierung von wirtschaftlichen Leistungen, Naturbeherrschung durch den Menschen und Hervorhebung ausschließlich männlicher Führungskräfte stark männlich betont ist. Dadurch werden bestimmte Konnotationen und Bilder verstärkt: Technik, Innovation, Leistung = Männlichkeit. Einzig das Bild der Künstlerin, von uns als „Sehnsuchtsbild“ empfunden, vermittelt hier einen anderen Bereich und spricht die Emotionen an, die mit dem Thema Schifffahrt auch verbunden sind.
Der sich anschließende Raum vermittelt durch die Hervorhebung der Leistungskraft Bremer Kaufleute am Beispiel der Handelsausstellung und der Kolonialpolitik, die an keiner Stelle kritisch hinterfragt wird, einen ähnlichen Einruck.
In beiden Bereichen kommen Frauen entweder gar nicht oder nur als mythologische Figuren vor. Auch männliche und weibliche Arbeitskräfte finden wir in dieser Ausstellung nur mariginal, sie sind auf den Fotografien aus den Kolonien zu sehen, fehlen gänzlich in den Bereichen des Handels. Die gesamte Präsentation ist wiederum eher eine Produktschau Bremer Firmen als eine wirklichkeitsgetreue Präsentation des Handels um die Jahrhundertwende.

Bei der Darstellung der Entwicklung des Büros vom Ende des 19. Jahrhunderts bis heute dominiert die Technik durch die Dominanz der verschiedenen Maschinen, deren Stellenwert und jeweilige Spezifik sich aufgrund fehlender Erklärungen den Betrachtenden nicht erschließt. Obwohl gerade dieser Bereich sich zu einem typischen Arbeitsbereich für Frauen entwickelt hat, fehlen sie gänzlich. Gleiches gilt für die Abteilung Kommunikationstechnik, ebenfalls ein von der Beschäftigungssituation im Service wie der Nutzung stark weiblich ausgewiesener Bereich.

Insgesamt fiel es uns schwer, den „roten Faden“ des Ausgestellten zu erkennen, zudem vermissten wir erklärende Texte. Ganz besonders kritisch empfanden wir die mangelnde Aufarbeitung der Verwicklung Bremer Kaufleute in die Kolonialpolitik, den unkommentierten „Indianer“ und den Aufruf zur Kolonialhilfe im Bürobereich. Da es sich beim Überseemuseum überwiegend um ein ethnografisches Museum handelt, wäre es für ein solches Museum eine große Chance, den Blick nicht nur auf die „Anderen“ zu richten, sondern vielmehr das Verhältnis zwischen Kolonialmacht und Kolonisierten zu beleuchten.

In einem Schreiben im April 2012 teilte uns die Direktorin Frau Dr. Wiebke Ahrndt mit, dass diese Abteilung aufgelöst würde. Die Betrachtung von Ausstellungen unter genderspezifischen Aspekten bleibt weiter aktuell.

Besuch des Focke-Museums
am 5.11.2011

Brief an das Focke-Museum:
Ausgehend vom Namen bzw. der Zweckbestimmung des Museums und von der Gesamtwirkung der Räume befassten wir uns mit den dominanten Sichtachsen, den Hervorhebungen von Objekten und den Hauptobjekten zugeordneten Beschriftungen bzw. weiteren Objekten, der Lichtgebung und der durch die Farbgebung ausgelösten Stimmung. Wir beschäftigten uns in Ihrem Haus mit dem Eingangsbereich, der Automobilausstellung und dem unteren Bereich.

Wir möchten Ihnen die Zusammenfassung der Ergebnisse dieses Besuches mitteilen und würden uns freuen, mit Ihnen in einen Dialog treten zu können, aus dem Anregungen für eine Veränderung auch für die Neuschaffung der Abteilung nach 1945 erwachsen können und u.E. sollten.
Die im Workshop formulierte Kritik und Ansprüche an das Focke-Museum beziehen sich auf die Aufgabenstellung des Museums, ein Stadt-Museum zu sein und nicht ein Haus, das ausgewählten Schichten bzw. Gruppen einen Raum der Selbstdarstellung bietet.

Mit Betreten des Hauses werden die Besucher mit einer Gruppe von männlichen Büsten konfrontiert, lediglich eine Frauenbüste – die zudem als anonyme „Gattin“ betitelt ist, ist dort zu sehen.

Die Dominanz der Herrschenden und des Männlichen bestimmt auch die „Bremen-Abteilung“: es werden hauptsächlich die bürgerlichen Eliten bzw. die Machzentren präsentiert – es fehlt sowohl die weibliche Hälfte dieser Schicht, obwohl diese durch ihre gemeinnützige Tätigkeit im sozialen und kulturellen Bereich wichtige Impulse gaben. So etwa Beta Isenberg, die zahlreiche öffentliche Gebäude in der Stadt u.a. auch die Domtüren finanzierte. Auch die Aktivitäten zahlreicher anderer Frauen des Bürgertums förderten wichtige soziale Einrichtungen, die z.T. noch heute existieren. Auch fehlen andere gesellschaftliche Schichten und die Lebensbereiche der Frauen dieser Gruppen (Lediglich bei den Bremer Häusern wurden Dienstmädchen angesprochen).

Wenn Frauen vorkommen, dann in einer dominanten Sichtachse entweder als mythologische Figur (hier eine barbusige Marmorfigur) oder als „Gattin“ betitelt im Eingangsbereich oder aber es werden ihnen wie bei Betty Gleim, deren Leistungen zwar gewürdigt werden, typisch weibliche Attribute zugeordnet (Porzellan). „Abseits von der großen Geschichte“, aber gegenüber von Napoleon, ist ein Bildnis von Anna Lühring zu sehen. Dieses fällt beim Gang durch die Ausstellung aber nicht auf, denn es ist quer zum Weg gehängt und nur ca. 50 cm oberhalb des Bodens. Diese Anordnung verhindert den Blick auf die „Ausnahmefrau“. Die schmale Vitrine enthält eine Uniform, die Anna Lühring sich „angeeignet“ hatte, davor befindet sich ein kleiner Quader, auf dem eine Tasse und ein Schälchen stehen und der von zwei Waffen flankiert ist. An der Vorderseite des unteren Teils des Quaders hängt das schon angesprochene kleine Bildnis von Anna Lühring. Dieses Gesamtarrangement führt dazu, dass die Besonderheit, dass eine Frau in Männerkleidung und als Soldat Hervorragendes im Befreiungskrieg geleistet hat, kaum wahrgenommen werden kann.

Insgesamt vermissten wir zudem eine Einordnung der Objekte, Figuren und Ereignisse in ihren historischen Kontext. Dort, wo es angeboten wurde, ist die Benutzerführung äußerst kompliziert (Bremer Haus). Außerdem fehlen auf der visuell unmittelbar zugänglichen Ebene kaum Reibungspunkte, Fragen provozierende Widersprüche o.ä., die ein Bedürfnis nach mehr Informationen oder Hintergründen hervorrufen. Wir hielten es für angemessen, schon im Eingangsbereich Margarethe von Post zu würdigen, die ja immerhin ihren Besitz, u.a. das Gelände es Focke-Museums und das Haus Riensberg dem Staat vermachte, der dieses für das Museum zur Verfügung stellte.

Kommentar:
Die Beschriftung „Gattin“ im Eingangsbereich wurde entfernt. Nach einem Gespräch mit Frau Dr. v.d. Haar haben wir dem Museum Vorschläge und Anregungen zugesandt, die bei einer möglichen Ergänzung des Museums um eine Abteilung nach 1945 unseres Erachtens in Erwägung gezogen werden sollten. Diese wurden wohlwollend zur Kenntnis genommen.
In der Sonderausstellung „Graben für Germanien“ wurden Veranstaltungen für Frauen konzipiert.

Literatur zum Thema:
Dr.Roswitha Muttenthaler, Mag.Regina Wonisch: Rollenbilder in Museen, Schwalbach/Ts. 2010
dies.: Gesten des Zeigens. Zur Repräsentation von Gender und Race in Ausstellungen, Bielefeld 2007