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Ein Glück für mich ist die Musik – Elise Müller, eine Bremer Musikerin aus der Zeit der Romantik.

Romina Schmitter

Dass es Komponistinnen gibt und seit Jahrhunderten gegeben hat, wird spätestens seit dem Standardwerk der US-amerikanischen Musikwissenschaftlerin Sophie Drinker (1) – „Music and Women“, New York 1948 – kaum noch bezweifelt. Weniger bekannt ist die Tatsache, dass auch Bremerinnen komponiert haben. Über eine von ihnen – die Musikerin Elise Müller (1782 – 1849) – hat die Autorin Sybilla Bösenberg im Jahre 2000 einen Aufsatz (2), 2002 eine Kurzbiographie (3) und neuerdings das oben genannte Buch verfasst. Das Buch besteht aus 8 Kapiteln und enthält 34, mit der zeitgenössischen Titelvignette „Le Salon“ (1837/38) auf der Vorder- und Rückseite des Umschlags 35 bzw. 36 Abbildungen. Der Anhang weist neben Literatur-, Bildnachweis und Personenregister auch ein Verzeichnis der Kompositionen der Musikerin auf.

In der Einleitung schreibt die Verfasserin, dass es in Bibliotheken und Archiven zahlreiche Hinweise auf Lebenszeugnisse und Kompositionen Elise Müllers gebe; ebenso werde ihr Name in Musiklexika und –publikationen genannt. Andererseits zeigen ihre umfangreichen Recherchen in relevanter Literatur, Museen, Stiftungen und Archiven, die von Bremen, über Berlin, Bonn, Dresden, Düsseldorf, Karlsruhe, Krakau bis zur Library of Congress in Washington reichen, dass die Quellenlage – wie bei historisch bedeutenden Frauen, vor allen Musikerinnen – nicht unüblich – relativ dürftig ist. So sind zahlreiche der „bisher bekannten Kompositionen … verschollen“ (S. 132, 133) oder „nicht ermittelt“ (S. 95, Anm. 279). Trotz dieser Mängel ist es der Verfasserin gelungen, ein ebenso informatives wie eindrucksvolles Bild der „Bremer Musikerin aus der Zeit der Romantik“ zu vermitteln, und zwar dadurch, dass sie die ihr zugänglichen Quellen in ausführlich dargestellten biographischen, sozial- und kulturhistorischen Zusammenhängen interpretiert. Dabei wird deutlich, dass Elise Müller als Komponistin und Pianistin nicht nur eine bedeutende Musikerin gewesen sein muss, sondern sich auch schriftstellerisch, bildungs- und sozialpolitisch hervorgetan hat.

Der Grundstein für ihre musikalischen Fähigkeiten wurde in der Kindheit durch ihren Vater, den Musiker, Pädagogen und Gründer einer Art Handelsschule für angehende Kaufleute, Dr. Wilhelm Christian Müller, gelegt, der eine „umfassende Ausbildung in Musiktheorie“ besaß (S.9) und seiner Tochter durch Privatlehrer dieselbe Erziehung wie dem um 2 Jahre jüngeren Sohn zukommen ließ (S. 14f). So bekam Elise „schon mit vier Jahren“ Unterricht an einem Klavier, das eigens für sie angefertigt worden war, der Sohn Adolph an der Geige (S.15), und 1811 schrieb der Vater an einen Freund, dass seine „Kinder … im 10. und 11. Jahr schon öffentlich (spielten)“ (S. 18). Elise soll nach Darstellung eines Freundes „schon im vierzehnten Jahre … in öffentlichen Concerten mit Beifall“ aufgetreten sein (S. 19). Sie selber allerdings äußerte später, bei einem Besuch Beethovens in Bonn, dass es ihr „an einem Lehrer der Komposition (fehle)“ (S. 83). Trotzdem verfasste Elise Müller viele Vertonungen vor allem von Liedtexten (S. 27, 45f, 50, 61, 68, 70, 77, 83, 90, 91, 92, 93, 95, 102f, 104, 111, 113, 114, 115). Sie sind nur zum geringeren Teil erhalten, und nach zeitgenössischen Berichten trat sie besonders als erfolgreiche Pianistin hervor. Auch ihre schriftstellerische Tätigkeit ist nur partiell zu belegen. Ihre zahlreichen Briefe an den Bruder – Briefe gehörten in einer Zeit der Briefkultur zur Literatur – „sind nicht erhalten“ (S. 23), während seine Briefe an die Schwester – dank ihrer sorgfältigen Vorarbeit – 1874 und damit 25 Jahre nach ihrem Tode – herausgegeben werden konnten (S. 120). Ebenso kann man seine Beurteilung ihres ersten dichterischen Versuchs nachlesen, nicht aber diesen Versuch selber noch ihre Stellungnahme zur Kritik des Bruders (S. 38). Hinzukommt, dass ihre Mitarbeit an verschiedenen Zeitschriften aufgrund der unvollständigen Nachweise wie „Elise“, „E. Müller“ oder „E.M.“ (S.5f) zwar mehr als wahrscheinlich, aber nicht eindeutig nachweisbar ist. Was gesichert vorliegt, sind mehrere Liedtexte und ihr umfangreiches Testament, das im Bremer Staatsarchiv aufbewahrt wird (S. 128) (4). Die Unvollständigkeit der Quellen zur musikalischen und schriftstellerischen Tätigkeit Elise Müllers kommt auch darin zum Ausdruck, dass es kein Bild der Künstlerin mehr zu geben scheint. Jedenfalls enthält das Buch von Sybilla Bösenberg nur Porträts zeitgenössischer männlicher und weiblicher Persönlichkeiten, Stadt- und Landschaftsansichten sowie Noten und handschriftliche oder geruckte Texte. Die bildungspolitische Tätigkeit Elise Müllers galt der Mädchenbildung. Im Jahre 1804, d.h. zwei Jahre vor der vergleichbaren Schulgründung durch die Bremer Pädagogin Betty Gleim (1781 – 1827) errichtete sie „eine weibliche Erziehungsanstalt für Töchter gebildeter Stände“, die bis 1820 bestand, und „in welcher sie selbst den Unterricht in Geographie, Geschichte, Musik und Grammatik der deutschen, französischen und englischen Sprache übernahm.“ (S. 26).

Elise Müllers sozialpolitischer Einsatz geht vor allem aus ihrem Testament hervor. Auch hier zeigt sich ihr frauenpolitisches Bewusstsein. So vermachte sie einen großen Teil ihres Vermögens dem 1816 gegründeten „Großen Frauenverein“, der sich um die Töchter verarmter Familien kümmerte, und bestimmte einen weiteren Teil zur Gründung einer Stiftung, der „Elisen-Stiftung“ (5), deren Zinsen jährlich an „Dienst-Mägde hiesiger Herrschaften“ (6) ausgezahlt werden sollten.

Das Buch enthält vereinzelt formale Mängel; so ist nicht nachvollziehbar, weshalb der „Bildnachweis“ (V.) im Anhang die 34 Titel und Nachweise zunächst ohne Nummerierung und Buchseitenzahl (S. 135-137) angibt, dann die Titel verkürzt, aber mit den anfangs fehlenden Informationen wiederholt (S. 138). Aber von diesen Geringfügigkeiten abgesehen, sind die umfangreichen Recherchen der Autorin ein wichtiger Beitrag zur Bremer Frauen- bzw. Künstlerinnengeschichte, der darüber hinaus den Vorzug hat, anregend und gut geschrieben worden zu sein.

Sybilla Bösenberg: Ein Glück für mich ist die Musik, 142 S., 34 Abb., Band 2432 von Eres Edition, Band 9 von Veröffentlichungen des Archivs „Deutsche Musikpflege“, Bremen e.V.

Anmerkungen:
1. Nach ihr ist das Bremer Institut für Geschichte und Gegenwart von Musikerinnen benannt: „Sophie Drinker Institut“, Außer der Schleifmühle 28, 28203 Bremen.
2. Sibylla Bösenberg: Der Bremer Dichter J. H. Menke und die Musikerin Elise Müller. In: Zeitschrift für Niederdeutsche Familienkunde, Jg. 75 2000, H. 3., S. 121-124.
3. Dies.: Elise Müllers Lebensgang. In: Almanach 2 der Varnhagen Gesellschaft, Maccaroni und Geistesspeise, hrsg. von Nikolaus Gatter, Berlin 2002, S. 41-45.
4. Elise Müllers Testament: StAB 2 Qq.4.c.3.b.4.aa.
5. Nicht zu verwechseln mit dem in der süd-westlichen Ecke des Bremer Bürgerparks gelegenen Haus „Elisenstiftung 1902“, das auf ein Legat des Kaufmanns und Reeders Johann Dietrich Köncke und seiner Frau Elise, geb. Brauer, sowie das Erbe ihrer Tochter Elise Köncke zurückgeht (vgl. Informationsblatt des Bremer Bürgerparkvereins StAB 15 809 Za).
6. Vgl. Anm. 4

Romina Schmitter


   Dagmar Stuckmann:
„Gebt Raum den Frauen“ – 100 Jahre Internationaler Frauentag in Bremen, Wiesbaden 2011

Die Verfasserin hat ihr Buch, dessen Obertitel einen Appell der sozialdemokratischen Bremer Bürger-Zeitung zum Internationalen Frauentag 1912 zitiert, als „Lesebuch“ und „Nachschlagewerk“ konzipiert (S. 12). Ersteres wird durch die Lesbarkeit und Übersichtlichkeit des mit vielen Fotos, Bild- und Textquellen versehenen Bandes sowie dadurch erreicht, dass jedes der elf Kapitel „eine in sich geschlossene Erzählung“ (S. 12) darstellt. Zum Nachschlagen einzelner Fakten und Zusammenhänge ist das Buch dank der „Zwischenbilanzen“, mit denen Kapitel 2 bis 11 jeweils abschließen, und der dreiseitigen Chronologie der Internationalen Frauentage von 1911 bis 2011 geeignet. Als erste Phase behandelt die Autorin die politische Durchsetzung des „8. März“ in den Jahren 1910 und 1911, seine Selbstbehauptung gegenüber Steuerungsstrategien seitens der Arbeiterparteien, seine Unterdrückung während der beiden Weltkriege und den Widerstand der Verfechterinnen des Frauentages gegen NS-Verbot und nationalsozialistischen „Muttertag“. In der 2. Phase geht es um die Entwicklung des „8.März“ zum zentralen Aktionstag, die mit der Neuen Frauenbewegung seit den ausgehenden 60ern und dem „Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden“ im Jahre 1977 begann und sich bis in die Gegenwart fortgesetzt und erweitert hat. Das Ganze beruht auf umfangreichen, vor allem lokalen Quellenstudien und wird vor wirtschafts-, politik-, und sozialgeschichtlichem Hintergrund vermittelt. Auch damit ist das Buch ein wichtiger Beitrag zur Erforschung politischer Feiertage. Als Geschichte des Internationalen Frauentages in Bremen stellt es darüberhinaus ein überfälliges Novum dar.

Romina Schmitter

   Renate Meyer-Braun:
Frau Bürgermeister Annemarie Mevissen.
Eine Biografie, Hauschild-Verlag, Bremen 2011

Als unlängst die Bände „Geschichte der Freien Hansestadt Bremen“ in zwei Bänden erschienen, war wieder einmal festzustellen, das Frauen nur marginal berücksichtigt waren – unter den zwölf Autoren waren zwei Frauen und sieht man sich die Liste der erwähnten Personen im Anhang an, so sind es weniger als 25 % Frauen. Renate Meyer-Braun hat mit der von ihr verfassten Biografie, bei der sie in der ihr eigenen akribischen Arbeit unzählige Dokumente auswertete, nun dieses Versäumnis mehr als gut ausgeglichen. Dabei stehen im Mittelpunkt ihrer Recherchen nicht nur die Fragen, welche politischen Ziele sie verfolgte und in welche innerparteilichen Widersprüche sie verwickelt war, sondern vor allem auch, wie sie sich als Frau durchsetzen konnte und gegen welche Hemmnisse und Vorurteile sie kämpfen musste. Die Biografie macht deutlich: es waren zahlreiche. Schon ihr Eintritt in die Senatspolitik war verbunden mit einer Beschränkung ihres Aufgabenbereiches. Man – in diesem Fall Bürgermeister Kaisen – traute ihr schlichtweg nicht zu, dass sie in der Lage sei, das Bildungsressort zu leiten, also wurde sie – die sich schon bei dem Entwurf des Schulgesetzes im Parlament geäußert hatte – auf das Jugendressort verwiesen und hatte keinen eigenen Apparat zur Verfügung. Renate Meyer-Braun beschreibt, wie sie sich trotz anfänglich zögerlicher Haltung, überhaupt dieses Amt zu solchen Bedingungen zu übernehmen, mit Fleiß, Einfallsreichtum und Beharrlichkeit durchsetze und später auch in einem Ressort, das als Männerdomäne galt – nämlich das Sportressort – Achtung verschaffte.

Dabei musste sie sich auch mit den Vorurteilen auseinandersetzen, dass eine Frau doch ihre Kinder nicht vernachlässigen dürfe, zumal ihr Ehemann als Leiter der Bibliothek auch ein verantwortungsvolles Amt innehatte. In dem Buch wird diese Frage immer wieder unter anderen Gesichtspunkten behandelt. Ein ganzes Kapitel ist der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewidmet, dabei ist  auch ein Interview mit ihrem Sohn einbezogen worden. Renate Meyer-Braun schildert auch, wie immer wieder versucht wurde, ihre politischen Erfolge auf den Einsatz ihrer „fraulichen Fähigkeiten“ zurückzuführen und ihre Amtsführung durch weiblichen Charme geprägt sei. Dies Argument wies Annemarie Mevissen stets zurück, zumal es implizierte, sie habe keinen eigenen politischen Standpunkt, sondern sei von Emotionen geleitet. Sie wurde zwar wegen ihrer sachlichen Art, die um Kompromisse bemüht war, gelobt, sie fürchtete sich jedoch auch nicht vor Auseinandersetzungen.

Und die hatte sie reichlich – vor allem in der letzten Phase ihrer Amtszeit, als es im Zuge der 68er Bewegung zu Krawallen kam, die sie verurteilte. Renate Meyer-Braun schildert ausführlich die innerparteilichen Konflikte – wie überhaupt das Buch auch zugleich einen bedeutenden Teil der Geschichte der SPD in Bremen ist – und sich dabei nicht scheut auch Tabus zu brechen – nämlich eine kritische Haltung gegenüber Bürgermeister Kaisen einzunehmen.

Das Buch befasst sich nicht nur mit der politischen Entwicklung Annemarie Mevissens, sondern die Autorin bezieht auch den privaten, familiären Bereich mit ein. Man erfährt etwas über ihre Kindheit, ihre Eltern, ihre Beziehung zu ihren Kindern. Man ist erstaunt zu erfahren, dass sie sehr gut malte, dass sie ihren Garten liebte und sehr gern schwamm – wie sie z.B. bei der Einweihung des Freibades in Blumenthal vor versammelter Presse bewies. Insgesamt ist das Buch ein hervorragendes Beispiel einer Biographie, die den Anspruch einlöst, Politiker nicht nur auf ihre politische Karriere zu beschränken, sondern ihre gesamte Persönlichkeit auch mit ihren Widersprüchen darzustellen. Zudem ist sie aufgrund des Stils der Autorin, die unbekümmert ihre Interviewpartner befragt hat und sich nicht scheut, eigene Vermutungen und Meinungen einzubringen, zuweilen sogar sehr amüsant. Die reiche Bebilderung ist eine Fundgrube. Auch wenn man vielleicht an der einen oder anderen Stelle die innerparteiliche Auseinandersetzung in der SPD eher überfliegt, so ist das Buch insgesamt aufgrund der profunden Sachkenntnis und seines erfrischenden Stils sehr lesenswert.

Im Hauschild Verlag sind übringens noch bemerkenswerte Bücher von Annemarie Mevissen zu erhalten:
Alte Parks am Rande der Stadt Bremen,
Mein Garten und seine Blumen,
Die Bremer Wallanlagen,
Die Weser,
Begleitet von Sagen, Märchen und Legenden,
Mit Pinsel und Zeichenstift auf Reisen in Europa.

Edith Laudowicz

   Karl Marten Barfuß (Hg.), Hartmut Müller, Daniel Tilgner:
Geschichte der Freien Hansestadt Bremen von 1945 bis 2005
/ Band 2: 1970 – 1989, Bremen

In der Edition Temmen sind fulminante Bände zur Geschichte Bremens erschienen. Wie schon bei anderen Geschichtswerken moniert, spielen Frauen als Autorinnen, als Protagonistinnen wichtiger gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Entwicklungen im Band nur eine sehr untergeordnete Rolle: Schon das Autorenteam besteht aus zehn Herren und lediglich drei Frauen, im Personenregister des Bandes sind unter über 500 Namen noch nicht einmal 50 Frauen zu finden.

Im Buch verstreut finden sich zahlreiche Porträts Bremer Persönlichkeiten – darunter keine einzige Frau. Zwar werden einige, darunter Annemarie Mevissen, Bürgermeisterin, Delphine Brox, erste Abgeodnete der Grünen Liste, Barabara Buhl, erste Direktorin des Sozialgerichtes, Dr. Rosemarie Pohl-Weber, erste Direktorin eines Museums in Bremen und Ursula Kerstein, erste Frauenbeauftragte Bremens genannt, ausführlich gewürdigt werden sie nicht. Erika Riemer-Noltenius, die mit der Gründung der Frauenpartei, als Vorsitzende des Bremer Frauenausschuss und Initiatorin des Beginenhofs wirkte, bleibt ebenso unerwähnt wie Dr. Martina Rudloff, langjährige Direktorin des Gerhard-Marcks-Hauses.

Allerdings findet sich im Abschnitt „soziale Verhältnisse“ eine fundierte Darstellung der Entwicklung der Bremer Frauenbewegung, wobei die von der Gleichstellungsstelle initiierte Bremer Frauenrunde, die jahrelang in einem breiten Bündnis den 8. März in Bremen vorbereitete und damit wesentliche Impulse zur Diskussion von Frauenthemen auch in den Stadtteilen auslöste, unberücksichtigt bleibt. Ebenso unerwähnt bleiben die Aktivitäten des Bremer Frauenausschuss, der 1996 sein 50 jähriges Bestehen feierte und 1999 mit seiner Wahl zur Frau des Jahres erneut Akzente der Wahrnehmung von wichtigen Aktivitäten von Frauen setzte.

Positiv auch, dass bei der Darstellung der wirtschaftlichen Entwicklung Bremens die Differenz zwischen Frauen- und Männerlöhnen dargestellt wird, bei den Arbeitslosenzahlen hingegen fehlt eine solche Unterscheidung. Die Darstellung der wirtschaftlichen Entwicklung konzentriert sich auf die Bereiche Industrie und Häfen, Dienstleistungsbereiche und soziale oder gesundheitspolitische Einrichtungen und Bildungsinstitutionen werden nicht untersucht – und damit bleibt ein wichtiger Frauenerwerbsbereich unberücksichtigt.

Der Band enthält zwar ein umfangreiches Personen-, Sach- und Ortsregister, leider fehlen Quellenangaben.

Edith Laudowicz

   Eva Schöck-Quinteros und die Studierenden des Projektes „Aus den Akten auf die Bühne“ (Hrsg.): „Was verstehen wir Frauen auch schon von Politik“, Entnazifizierung ganz normaler Frauen in Bremen (1945-1952)

Das Buch geht anhand 13 konkreter Fälle aus den Gerichtsakten der Geschichte verschiedener Frauen nach, die auf eine oder andere Art mit den Nazis zusammenarbeiteten und andere Denunzierten.
Bei der Lektüre der einzelnen Fälle wird deutlich, wie vielfältig die Motive waren: während einige überzeugte Mitglieder oder Anhängerinnen der faschistischen Partei und Regierung waren, wurden andere durch Druck auf sie aufgrund eigener Verfehlungen oder gegnerischer politischer Aktivitäten oder durch ihre unhintefragte berufliche Tätigkeit zu Belasteten.
Bei Kriegsende hatten sie sich vor den Entnazifizierungsausschüssen, deren Arbeitsweise ebenfalls ausführlich dargestellt wird, zu verantworten. Dabei zeigte sich, dass viele der Frauen zu ihrer Entlastung auf Entschuldigungen zurückgriffen, die man vermeintlich Frauen eher glauben würde. Dies waren z.B. solche Aussagen wie die, man hätte von Politik nichts verstanden oder aber man sei im Rahmen der nationalsozialistischen Organisationen nur fürsorglich tätig gewesen. Die Frauen nutzten bewusst Rollenzuschreibungen, um sich zu entlasten.
Wie schwierig die Einstufungen als „Haupttäterinnen, Belastete oder Mitläuferinnen“ war, ist am Beispiel der Sekretärin Hilde Schöttker zu lesen, die in den Kriegsjahren als Sekretärin bei der Gestapo arbeitete und auch Verhöre tippte. Erschreckend ist der Fall der Naturwissenschaftlerin Dr. Karin Magnussen, die im Bereich der Anomalie von Augen forschte und dazu von Dr. Mengele überstellte Augen unhinterfragt verwendete und sich auch in ihrem Verfahren keiner Schuld bewusst war, sogar noch in den 50er Jahren rassistische Äußerungen verfasste, als sie bereits im Bremer Schuldienst beschäftigt war. Ihre Haltung ist umso unverständlicher, da sie als lesbische Frau besonderer Diskriminierung ausgesetzt waren.

Das Buch vermittelt auch einen anschaulichen Eindruck, wie schwierig die Entnazifizierungsverfahren sich gestalteten, denn es mussten nicht nur zahlreiche Zeuginnen und Zeugen gehört werden, sondern auch zahlreiche Aktenberge durchforscht werden, um Tatbestände aufklären zu können. Eine sehr interessante Lektüre, die deutlich macht, wie schwierig es ist zu entscheiden, wer bloß gedankenlos war oder aber bewusst Schuld auf sich geladen hat.

Ergänzt wird der Band durch die chronologische Darstellung des Entnazifizierungsverfahrens, die Gesetze der Alliierten und einer Betrachtung zur Täterforschung.

Edith Laudowicz

 

Birgit Köhler und Beenhard Oldigs: Mach das Beste draus!“  Hilde Adolf – eine Biografie, Bremen 2010

„Mach das Beste draus“ – so lautete ein Lebensmotto der beliebten SPD-Politikerin Hilde Adolf, die 2006 durch einen tragischen Unfall ums Leben kam. Birgit Köhler und Beenhard Oldigs haben dieses Motto als Titel ihrer  Biografie gewählt.

Grundlage bildeten zahlreiche Interviews mit privaten und politischen Freunden und Familienangehörigen, sowie ehemaligen Lehrern. Das Buch enthält zahlreiche Fotografien aus dem privaten und öffentlichen Bereich.
Alle, die sie kannten, waren bestürzt über die Todesnachricht. Sie war beliebt, weil sie sich in ihrem Auftreten deutlich unterschied von anderen Politikerinnen und Politikern. Sie sprach Klartext, war sehr direkt aber auch sehr humorvoll. „Hilde Adolf redete niemandem nach dem Mund. Sie hatte einen inneren Kompass, der ihr immer zeigte, in welche Richtung politische Entscheidung gehen musste. Die Menschen haben gespürt, dass der Kompass stimmt.“ Sagt Jens Böhrnsen auf dem Einband des Buches. Die Menschen hatten das Gefühl, sie sei eine von ihnen. Dazu trug nicht nur ihr unbeirrbares Eintreten für Frauenrechte ein, sondern auch ihr Verständnis für soziale Probleme aller Art, die sie selbst im Rahmen verschiedener Tätigkeiten kennen gelernt hatte. Und sympathisch machte sie auch, dass sie trotz ihrer umfangreichen politischen Arbeit ihre Leidenschaft, das Singen mit ihrer dunklen, starken Stimme, nicht aufgab. Lange Jahre wirkte sie im Kabarett „Die Müllfischer“ mit. „Die Leidenschaft des Singens und Darstellens hat ihr später auch in der Politik sehr geholfen“, sagt ihre Freundin im Interview gegenüber den AutorInnen. (S. 44)

Trotz ihrer umfangreichen politischen Arbeit war ihr das Familienleben sehr wichtig und wann immer sie konnte, verbrachte sie Zeit mit ihrem Ehemann (der an ihrer statt den Doppelnamen führte, weil sie nicht Adolf-Lunter heißen wollte, weil das zu Missverständnissen hätte führen können) und ihrem Sohn. Auch Kontakt zu ihren vielen Freunden in Bremerhaven versuchte sie immer aufrecht zu erhalten.
König und Oldigs schildern anschaulich ihren politischen Werdegang in ihrer Heimatstadt Bremerhaven, in der sie kurz nach ihrem Abitur in die SPD eintrat und dann schließlich nach ihrem Jurastudium, einer sechsjährigen Tätigkeit als Leiterin der Gleichstellungsstelle in Bremerhaven, 1996 SPD-Vorsitzende in Bremerhaven und 1999 schließlich Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales wurde. Dass sie diese Position erreichte, hängt auch mit ihrem Durchsetzungsvermögen zusammen. König und Oldigs belegen mit ihren Interviews, dass sie manchmal als dominant empfunden wurde – wohl auch ein Ergebnis der Tatsache, dass sie der alleinerziehenden Mutter schon früh beistehen musste. Sie vermeiden in der Biografie jede Beschönigung ihrer Persönlichkeit und dokumentieren auch Ecken und Kanten. Interviews belegen, dass sie von einer einmal errungenen Überzeugung nicht so schnell abzubringen war, da mussten schon gute Argumente vorgebracht werden. Allerdings war sie keine Dogmatikerin, sie versuchte Probleme und Schwierigkeiten pragmatisch zu überwinden.

Ein lesenwertes Buch, dass dem Leben der zu früh Verstorbenen gerecht wird und im Sinne Birgit Köhlers und Beenhard Oldigs sicherlich für alle Politikverdrossenen ein Beispiel setzt, dass es auch anders gehen kann, als man gemeinhin von etablierten PolitikerInnen gewohnt ist. In Gröplingen wurde 2006 eine Straße nach Hilde Adolf benannt und in Bremerhaven 2007.

Edith Laudowicz

 

Christine Krause:
Sie wollte nur eines: Künstlerin sein. Die Malerin Lisel Oppel, Bremen 2010

Die Journalistin Christine Krause hat das faszinierende Leben der Malerin Lisel Oppel recherchiert und nun in einem sehr schön gestalteten Buch, das zahlreiche Abbildungen der Künstlerin enthält, veröffentlicht. Bei ihrer Arbeit konnte sie auf das Archiv des Sohnes Claudio Oppel zurückgreifen, welches nicht nur zahlreiche Briefe, viele Skizzenbücher und Dokumente enthält. Außerdem hat sie mit vielen Menschen gesprochen, die die Künstlerin geklannt haben und Orte besucht, an denen sie sich aufgehalten hat.
So kann sie die Stationen des wechselvollen Lebens der Künstlerin, die zeitlebens zwischen Worpswede und Italien pendelte und durch Reisen nach Spanien und Nordafrika bereichert wurde, detailreich schildern. All diese verschiedenen Lebensstationen haben auch im künstlerischen Schaffen ihren Niederschlag gefunden. Lisel Oppel, die vorrangig Aquarelle und Ölbilder malte, lernte aber auch noch das keramische Handwerk und formte Figuren, bemalte Kacheln und auch Möbel und Türen – dies vor allem auch, um damit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Kristine Krause schildert, wie schwierig es für sie war, vom Verkauf ihrer Bilder zu leben. So arbeite sie in ihren jungen Jahren bei verschiedenen Bauern, in einer keramischen Fabrik in Vietri, bemalte Geschirr in Heimarbeit. Sie war eine Frau, die keine Konventionen kannte – sie brachte ihren Sohn zur Welt und erzog ihn allein, sie hatte eine Beziehung zu einem französischen Zwangsarbeiter, was ihr eine Gefängnisstrafe einbrachte und sie lernte in Nordafrika einen sehr viel jüngeren Mann kennen und lieben, der sich auch eine längere Zeit in Worpswede aufhielt.
Das Buch befasst sich überwiegend mit der Schilderung dieses komplizierten Lebensweges. Allerdings manchmal etwas irritierend, denn die Autorin beschränkt sich nicht nur auf die Schilderung einzelner Etappen, sondern greift jeweils schon immer voraus, ein für mich nicht ganz geglückter Kunstgriff. Zu kurz kommt die Reflexion ihrer künstlerischen Entwicklung. Gern würde man wissen, welche künstlerischen Vorbilder sie hatte, welche künstlerischen Ziele sie sich setzte und welche Entwicklung sie im Lauf der Zeit machte und wie umfänglich ihr Werk ist. Auch findet man leider nichts darüber, wo heute einige ihrer Bilder hängen, und auch wenig über Ausstellungen und über den Verkauf von Bildern. Deshalb an dieser Stelle ein Verweis auf das Porträt von Gisela Hildebrand.

Edith Laudowicz

 

  Berhardine Schulze-Smidt: Inge von Rantum, ein Sylter Liebes- und Heimatroman, Hrsg.: Guido M. Schmitz, Nordstrand

Ein Bestseller neu aufgelegt.
Gerade rechtzeitig zur Somemerszeit hat Guido M. Schmitz aus Nordstrand den ersten Roman der Bremer Autorin Berhardine Schulze-Smidt „Inge von Rantum“ neu aufgelegt, der erstmals 1880 erschien und eine hohe Auflage erreichte.

Sie erzählt in diesem Roman, der als gehobene Unterhaltungsliteratur gelten kann, die Liebesverwicklungen eines jungen Berliner Dichters zwischen einer schönen, lasziven jungen Russin und der spröden Kapitänswitwe, die dem Buch den Namen gegeben hat. Die Geschichte spielt auf Sylt um 1880 und sie gibt einen Einblick sowohl in das schon mondäne Kurleben der Insel, die damals von Adeligen aus Europa und vom gehobenen Bürgertum besucht wurde, denn um 1870 herum nahm der Fremdenverkehr langsam zu; die Kurgäste kamen per Postschiff oder mit dem Schnelldampfer. Unbekannt ist, ob die Autorin die Sage „Inge von Rantum“ kannte, in der durch Liebesverwicklungen die Zerstörung Rantum durch die Sturmflut beschrieben wird.1
Berhardine Schulze-Smidt – Enkelin des Bremer Bürgermeister – musste nach dem Tod ihres Ehemannes den Lebensunterhalt für sich und ihre vier Kinder durch schriftstellerische Arbeiten verdienen. Dies gelang ihr sehr gut. Zwar musste sie zunächst unter einem männlichen Pseudonym veröffentlichen, doch das gab sie sehr bald auf. Sie veröffentlichte mehr als 20 Romane, Erzählungen und Reisebeschreibungen sowie Ratgeber zur Haushaltsführung und eine Reihe Gedichte, einige finden sich als Lyrik des Hauptprotagonisten auch in dem hier besprochenen Roman. Zwar ist die Sprache ein wenig altertümlich, aber es ist dennoch lesenswert, weil es einen interessanten Einblick in die Denk- und Lebensweise verschiedener Schichten zu dieser Zeit gibt.

1: Wilhelm Jessen, Sylter Sagen, nach den Schriften des Heimatforschers C. P. Hansen, Westerland auf Sylt, 1925

Edith Laudowicz

 

    Romina Schmitter: Wer war Lucretia de Saint Simon? Annäherung an eine Künstlerin, Oldenburg 2009

Aus der Begründung der Lektorin des Oldenburger Verlages Isensee für die Aufnahme des Buches in das Programm:
„Sie haben eine sehr gut recherchierte Künstlerbiographie geschaffen, die sich nicht nur mit der Person der Lucretia de Saint Simon und Ihrem Werk beschäftigt, sondern zugleich einen informativen Diskurs über die geschichtlichen Hintergründe kunstschaffender Frauen im 17. Jahrhundert sowie die künstlerisch-historische Entwicklung der oldenburgischen Region erstellt. Dabei stellen Sie zudem Ihren Forschungsprozess in den Vordergrund. Auf anschauliche Weise zeigen Sie, wie sich die Nachforschungen zur Person der Künstlerin gestaltet haben und welchen Problemen Sie dabei begegnet sind. Gerade diesen Punkt finde ich besonders gelungen, denn Sie zeigen, wie sich eine Annäherung an eine historische Person, zu der nur wenige Quellen existieren, gestaltet werden kann. Dabei wurde auf puren wissenschaftlichen Diskurs verzichtet, was den Text allgemein verständlich macht. Stattdessen wurde eine lebendige Erzählung geschaffen, die durch umfangreiches Bildmaterial unterstützt wird.“

 

   Renate Meyer Braun: Alltag im Wirtschaftswunder. Bremer Werfarbeiterarbeiterfamilien in den 50er Jahren, Bremen 2001

Dieses Jahr feiert die Bundesrepublik ihr 60 jähriges Bestehen – überall finden wir Rückblicke in die ersten Jahre – selten jedoch gibt es Einblicke in das Leben von Arbeiterfamilien der 50er Jahre, gemeinhin bekannt als „Wirtschaftswunderjahre“. Vor der Lektüre des Buches war es mir nicht so präsent, dass das Wirtschaftswunder keineswegs für alle gleichermaßen existierte.
Renate Meyer Braun hat 40 Familien aus dem Bremer Westen befragt und dabei ein besonderes Augenmerk auch auf die unterschiedlichen Erfahrungen und Möglichkeiten von Frauen und Männern gelegt. Für Bremerinnen und Bremer nicht ganz uninteressant dürfte es sein, dass auch die Familie Böhrnsen ausführlich befragt wurde und wir so einiges über den familiären Hintergrund des jetzigen Bürgermeisters erfahren. Und es wird im gesamten Buch deutlich, „dass das gepriesene Wirtschaftswunder“ sich längst nicht so ‚wunderbar‘ dargestellt hat, wie es die Geschichtsschreibung der Bundesrepublik Deutschland glauben machen will“.

Edith Laudowicz