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Beginen und Beginenhöfe

Der Name Beginen ist die Bezeichnung einer Gemeinschaft seit dem 13. Jahrhundert. Zur Herkunft des Namens gibt es unterschiedliche Erklärungen, er könnte von der Hl. Begga, die die Schutzpatronin der Beginenhäuser wurde, herstammen. Möglich ist aber auch eine Herleitung vom Namen eines Priesters und Stifters, der 1180 in einem ihm gehörenden großen Garten in der Nähe der Stadt Lüttich eine Anzahl einzelner Häuschen errichten ließ, die er Jungfrauen und Witwen ohne Unterschied von Stand oder Vermögen unter der Bedingung zu Wohnungen gab, dass sie keusch und züchtig, arbeitsam und verträglich zusammen lebten. Eine weitere Deutung kann darin begründet sein, dass eine entsprechende Bezeichnung von kirchlicher Seite in ungenauer Weise für alle möglichen neuen aus ihrer Sicht ketzerischen Laienbewegungen verwendet wurde.

Ausgangspunkt dieser frühen Beginenbewegung[1] war das Bedürfnis, in urchristlicher Form und Bescheidenheit zu leben. Männer und Frauen, darunter viele alleinstehende Frauen und Witwen, die weder in den Stand der Ehe noch in ein Kloster eintreten wollten, schlossen sich seit dem Beginn des 13. Jhdts. ungeachtet ihres Vermögens oder Standes zu religiösen Gemeinschaften zusammen, ohne jedoch als Laien einer anerkannten Ordensgemeinschaft anzugehören. Als Beginen verzichteten sie auf jeden persönlichen Besitz, führten ein frommes, eheloses Leben in ordensähnlichen Hausgemeinschaften und stellten ihren Unterhalt weitgehend durch Handarbeit sicher. Ohne männliche Bevormundung und ohne männlichen Schutz arbeiteten sie auf vielfältige Weise für die Gemeinden und gewannen über vier Jahrhunderte hinweg einen großen Einfluss auf das Glaubens- und Wirtschaftsleben der Städte. Von der Kirche als häretisch gebrandmarkt, waren sie Schikanen bis hin zu Verfolgung und Inquisition ausgesetzt, bis sie zu Beginn der Frühen Neuzeit, kirchlich integriert wurden oder sich der Reformation anschlossen. Somit können die Beginen – als Teil der Beginen-Bewegung – als der erste weltliche Verein frommer Frauen im Christentum gelten. Der weitere Verlauf der Geschichte führte zu anderen – lebenspraktischen – Nutzungen der Beginenhöfe bzw. Umsetzung ihrer Lebensform. So entstanden z.B. in Hansestädten Gänge-Viertel und Höfe als Formen sozialen Lebens für Witwen von Seeleuten.

Beginen lebten in sogenannten Beginenhöfen. Sie befinden sich in Städten und umfassen um einen Innenhof gruppierte Wohnhäuser. Häufig war der Innenhof als Nutz- und Ziergarten oder Grünanlage gestaltet. Die Anlage wurde durch Mauern oder Wassergräben von der Stadt abgegrenzt. In den Giebeln der Beginenhäuschen befinden sich oft religiöse Sprüche, Heiligen- oder Marienbilder oder die Namen der Schutzheiligen der Bewohnerinnen. Heutzutage werden die Wohnhöfe gerne von Künstlern und Studenten bewohnt. In Deutschland sind Beginenhöfe in Essen und Lübeck bekannt. Sie sind wegen ihres Alters, der Ruhe und der schlichten harmonischen Architektur malerisch und sehenswürdig.

Jede Gemeinschaft war souverän und selbständig. Die Beginen widmeten sich in ihrem Wirken nicht nur sittlich-religiösen, sondern auch praktischen Zwecken, u.a. der Krankenpflege, der Betreuung Verlassener, der Rettung moralisch „Gefallener“ und der Erziehung. Weiterhin betätigten sie sich als Leichenwäscherinnen oder übten das Textilhandwerk aus. Auch wenn die meisten Frauen ursprünglich wohlhabend waren, sorgten sie durch diese Tätigkeiten für ihren Lebensunterhalt. Den Beginen stand es frei, jederzeit den Beginenhof zu verlassen. Mit dieser ganz persönlichen Autonomie nahmen sie in der ständischen Gesellschaft eine Modernität vorweg, die auch heute von Frauen nicht immer voll gelebt werden kann.

Die Bremer Beginen wurden zum ersten Mal 1258 urkundlich erwähnt, als ihnen das Privileg erteilt wurde, bei den Dominikanern im Katharinenkloster die Sakramente zu empfangen und an den Gottesdiensten teilzunehmen. Sie wurden über die Säkularisierung in der Reformation zu Altersruhesitzen für Damen im 19. Jhdt..[2] Im Gegensatz zu anderen Beginen lebten die frommen Bremerinnen in den beiden Konventen St. Nicolai – in der Nähe des Brills – und St. Katharinen (auch „St. Catharin“) – im Schüsselkorb – nicht von „ihrer Hände Arbeit“, also vom Stricken, Nähen, von der Krankenpflegen und Gartenarbeit, sondern vom Erlös ihres Grundbesitzes aus Pachten, Zinsen und Naturalabgaben. Ihr Grundbesitz garantierte ihnen langfristige und sichere Einkünfte. Im Laufe von 200 Jahren kamen sie durch Schenkungen, Mitgiften und Käufe in den Besitz einer Fülle von Ländereien. Im 15.Jahrhundert verfügten die beiden Bremer Beginenkonvente nachweislich über Rechte und Besitzungen in vielen Gegenden Bremens. Für die Bewirtschaftung dieser umfangreichen Ländereien beschäftigten die Bremer Beginen Knechte und Mägde, vergaben Meier Rechte und schreckten auch vor juristischen Auseinandersetzungen bei Streit in Erbschaftsangelegenheiten nicht zurück. Auf solchen Grundbesitz weist heute noch die Straße „Auf dem Beginenlande“ in Bremen Kattenturm hin: hier lagen Ländereien der Beginen, die später in den Besitz eines Landwirts gelangten, der es an die bremische Boden- und Siedlungs GmbH verkaufte. Dort wurden die ersten Großsiedlungen mit Mietwohnungen gebaut.

Die Beginen von St. Nicolai zogen 1602 ins Katharinenkonvent. Das Haus an der Hutfilterstraße wandelte die Stadt in das Rote Waisenhaus um, seit 1906 steht dort der Neubau der Bremer Sparkasse. Ein Teil des Vermögens, vor allem das Haus der Beginen von St. Katharinen konnte von den Rechtsnachfolgerinnen über Jahrhunderte gehalten werden. Im Stadtplan von 1866 ist das „St. Catharinen Stifft“ deutlich eingezeichnet. Im Bremer Adressbuch von 1904 werden 21 Frauen namentlich aufgeführt, die im Catharinenstift am Schüsselkorb 3 wohnten. 1911 verkauften sie das Haus an die Stadt, die es später an die Commerzbank veräußerte. Mit dem Erlös erwarben sie das neue St. Catharinenstift an der Parkallee.

Für die heutigen Beginen ist der Gedanke der Autonomie untrennbar verbunden mit der demokratischen Überzeugung auf der Basis des Wertekanons der Menschenrechte, wie sie die UN-Charta formuliert hat. Um den Nebenwirkungen einer immer stärkeren Individualisierung zu begegnen, wagen die Beginen den Versuch, eine Lebensform zu begründen, die die individuelle Autonomie bewusst mit einer neuen Sozialbindung verknüpft: der Wahlverwandtschaft. Anders als in der Familie basieren die Beziehungen auf der Freiheit der eigenen Entscheidung, mit wem und wie frau ihr Zusammenleben in sozialer Verantwortung gestalten will: Wahlverwandtschaft als Zusammengehörigkeit ohne Abhängigkeit und Verantwortung ohne lebenslange Pflichten. [3]

An diese Tradition knüpft auch ein Wohnprojekt in der Neustadt an, das von engagierten Frauen initiiert wurde. Durch Initiative von Dr. Erika Noltenius, die schnell sehr viele Mitstreiterinnen gewinnen konnte, wurde ein Beginenhof-Projekt entwickelt, das eine Wiederbelebung der Beginenkultur mit generationsübergreifenden Wohn- und Wirtschaftsprojekten für Singlefrauen in Bremen realisieren sollte. Trotz vielfältiger, erheblicher Probleme, die einige Frauen in große Nöte gebracht haben, wurde der Beginenhof in der Bremer Neustadt im Sommer 2001 bezogen. Etwa 100 Bewohnerinnen, einige aus anderen Bundesländern, haben hier ihren neuen Lebensmittelpunkt gefunden. Inzwischen wird der Beginenhof von der Gewoba verwaltet, und es wohnen auch einzelne Männer hier.

Neben dem Beginenhof am Kirchweg, Ecke Hardenbergstraße in der Neustadt erinnert noch die Straße Auf dem Beginenlande im Bremer Stadtteil Kattenturm an die einstigen Besitztümer der Beginen.

Regina Contzen

Anmerkungen:
[1] Die Glaubens- und Lebensform der Beginen wurde auch von Männern (Begarden) gelebt, hier wird nur in der weiblichen Form berichtet.
[2] Cyrus, Hannelore, S.243.
[3] Dachverband, Zugriff 12.10.2015.

Literatur und Quellen:
Bremer Adressbuch 1904
Duby, Georges/Perrot, Michelle: Geschichte der Frauen, Mittelalter, S.316, 333 ff., 440, Frankfurt/M., Wien 1995
BN 28.7.2015
Cyrus, Hannelore: Noltenius, Clara. In: dies. u.a. (Hrsg.): Bremer Frauen, Bremen 1991, S.243
Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter, Frankfurt/M., Wien 1991, S.237 ff
Holzner-Rabe, Christine in: Buchelt, Andrea (Hrsg.): Stark. Mutig. Erfolgreich. 1000 Jahre Unternehmerinnen in Bremen, Bremen 2000, S. 10-15
https://www.dachverband-der beginen.de/bremen.php, Zugriff 12.10.2015
https://www.frauenwohnprojekte.de/index.php?id=beginen&no_cache=1&tx_p2fwp_pi1[showUid]=20, Zugriff 12.10.2015
https://de.wikipedia.org/wiki/Beginen_und_Begarden, Zugriff 12.10.2015
Peters, Günther: Die Bremer Beginen im Mittelalter, in: Niedersächs. Jahrbuch für Landesgeschichte 64/1992, S.131-181
Schwaiger, Georg (Hrsg.): Mönchtum, Orden, Klöster, S.82 ff., München 1994
Shahar, Shulamith: Die Frau im Mittelalter, Frankfurt/M. 1983, S.65 ff
Wolf-Graaf, Anke: Die verborgene Geschichte der Frauenarbeit. München, Weinheim, Basel 1994, S.70 ff.