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Howey, Gisela (1939 – 2010)

Gisela Howey, geb. Moltrecht, engagierte sich in der anti-autoritären Kinderladen-Bewegung und als Kommunalpolitikerin.

9.3.1939 in Bremen – 6.2.2010 in Bremen

Gisela wuchs als zweite von vier Geschwistern, drei Schwestern und einem Bruder, in Bremen- Schwachhausen auf. Ihr Vater, Kaufmann von Beruf, war bei den Flugzeugwerken Focke-Wulff beschäftigt, einem kriegswichtigen Betrieb, weshalb er uk (unabkömmlich) gestellt wurde und nicht in den ein halbes Jahr nach Giselas Geburt ausbrechenden Zweiten Weltkrieg ziehen musste. Die Familie konnte den Krieg zwar einigermaßen glimpflich überstehen, jedoch war es mit der gesicherten beruflichen Existenz des Vaters 1945 vorbei. Um die Familie zu ernähren, hielt er sich mit verschiedenen Tätigkeiten über Wasser, zuerst gleich nach Kriegsende als Küchenhilfe bei der amerikanischen Besatzungsmacht in Bremen. Später fand er eine Stelle bei einer Im- und Exportfirma, machte sich irgendwann selbständig, kam aber auf keinen grünen Zweig. Kurz, die Familie war nicht auf Rosen gebettet, und Gisela musste möglichst früh auf eigenen Füßen stehen, um die Eltern zu entlasten.

Sie verließ also 1955 die damalige Oberschule an der Hamburger Straße mit der Mittleren Reife, obgleich sie gern das Abitur gemacht und auch das Zeug dazu gehabt hätte. Die Aussicht auf eine sichere berufliche Existenz hatte angesichts der Berufsbiografie des Vaters in der Familie eine hohe Priorität und so waren alle zufrieden, als Gisela einen Ausbildungsplatz für den mittleren Postdienst – damals noch öffentlicher Dienst – fand. Im Postamt 5 war es denn auch, wo die Postsekretärin Gisela Moltrecht 1962 ihren späteren Mann Gerd Howey, damals noch Student der Romanistik und Germanistik, kennenlernte bzw. wiedertraf – sie hinter, er vor dem Schalter. Einen ersten Kontakt hatte es bereits vorher gegeben. 1963 wurde sich verlobt, 1965 geheiratet.

Nicht nur eheliche, auch politische Gemeinschaft war angesagt: Beide wollten sich gesellschaftlich engagieren und traten deshalb 1966 in die SPD ein. 1967 wurde der Sohn Gregor geboren, drei Jahre später die Tochter Gundula. Gisela H. kündigte bei der Post, um sich der Familie zu widmen. Aber sie ging in der Arbeit als Hausfrau und Mutter nicht auf, sondern engagierte sich zusammen mit ihrem Mann in einer Initiative, die eine andere Art von außerhäuslicher Kinderbetreuung wollte, als sie die herkömmlichen Kindergärten boten. Angeregt durch die Diskussionen und Entwicklungen im studentenbewegten West-Berlin wurde 1969 am Dobben 12A der erste anti-autoritäre Kinderladen Bremens gegründet: das Bremer Kindercentrum kurz BKC, eine selbstverwaltete Eltern-Kind-Gruppe in der Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Howeys mussten wie alle Eltern bestimmte Dienste übernehmen. Sohn Gregor gehörte von Anfang an zu der munteren Kindertruppe. Gundula wurde bereits als Kleinkind mitgenommen, wenn ihre Mutter Elterndienst hatte und gehörte bald darauf auch zur regulären Truppe.

Beide Eheleute waren in ihrem SPD-Ortsverein Steintor aktiv, Gisela H. lange im Vorstand. So war es nicht verwunderlich, dass die Genossen sie für die Bürgerschaftswahl 1971 als Kandidatin aufstellten. Sie wurde gewählt und zog als 32Jährige zusammen mit einem ganzen Schwung neuer Abgeordneter im Jungsozialisten-Alter (unter 35), die alle etwas verändern wollten, in das Landesparlament ein. Sie arbeitete engagiert in den Deputationen für Jugendhilfe und für Ernährung und Verbraucherfragen mit. Nach vier Jahren kandidierte sie nicht wieder, weil es ihr in der Fraktion „zu abgehoben und manchmal auch intrigant zuging“.[1] Ihr politisches Engagement war mehr auf praktisches Tun ausgerichtet. Und so fand sie ihr Betätigungsfeld im Stadtteilbeirat Östliche Vorstand, für den sie nach ihrem Ausscheiden aus der Bürgerschaft 1975 kandidierte und in dem sie vier Wahlperioden hintereinander gewirkt hat, bis 1991, meistens als Sprecherin des Sozialausschusses. Dass sie immer wieder aufgestellt und gewählt wurde, zeigt, wie ihre Arbeit an der örtlichen Basis geschätzt wurde.

Neben dieser ehrenamtlichen Arbeit wollte sie auch beruflich sinnvoll tätig werden und fand beim Fachverlag „Hallo TAXI“ eine Halbtagsbeschäftigung als Verlagsassistentin, die sie zwanzig Jahre lang ausübte – wie immer bei Gisela mit vollem Einsatz.

Neben der öffentlichen Gisela Howey gab es natürlich auch die private, und die war ein liebevolle Mutter und Ehefrau. Man reiste, so oft es ging, in den Ferien gemeinsam in den Urlaub, meist in südeuropäische Länder. Im Übrigen verbrachten die vier ihre Freizeit an Wochenenden in einem alten Bauernhaus, das die Howeys zusammen mit einer verwandten Familie in Felde in der Nähe von Bremen gemietet hatten.

Wie schon als Abgeordnete kümmerte sie sich als Beiratsmitglied sehr um Kinder und Jugendliche. So unterstützte sie nachdrücklich Gründung und Aufbau des Jugendfreizeitheim in der Friesenstraße im Steintor und erreichte zusammen mit anderen, dass das benachbarte Grundstück der abgebrannten Holzhandlung Dreyer nicht für den Bau eines Parkhochhauses genutzt wurde, was viele wünschten, sondern zu einem Spielplatz umfunktioniert wurde. Vielleicht wichtigstes Ergebnis der damaligen Beiratsarbeit und eines, das sie maßgeblich mit erzielt hatte und von dem noch heute viele – Alt und Jung – profitieren, ist das schöne Bürgerhaus Weserterrassen am Osterdeich. Sie hat mit geplant und auch selbst mit Hand angelegt; im April 1976 wurde es eröffnet. 34 Jahre lang war sie im Vorstand des Vereins „Bürgerhaus Weserterrassen e.V.“ aktiv; sie hing an dem Haus. Weil das so war, hat der Verein sie 2009 zum Ehrenmitglied gemacht. Da war sie schon sehr krank, 2007 hatte man bei ihr Lungenkrebs festgestellt. Ein Jahr zuvor hatte ihr Mann die gleiche Diagnose erhalten; er hat es aber überstanden. Sie litt und kämpfte weiter. Es gab Hoffnungen, es gab Rückschläge. Kurz vor ihrem 71.Geburtstag, drei Jahre nachdem man bei ihr die Krankheit festgestellt hatte, starb sie – zu Hause, ihr Mann war bei ihr.

Dr. Renate Meyer-Braun

Anmerkungen:
[1] Hans-Christoph Hoppensack in seiner Rede auf der Trauerfeier für Gisela Howey am 18.2.2010.

Literatur und Quellen:
Trauerrede von Hans Christoph Hoppensack vom 18.2.2010 (Privatbesitz).
Auskünfte von Gerd Howey und Andrea Freudenberg, Ortsamt Mitte.
„Trauer um Gisela Howey“, Stadtteil-Kurier Mitte, östliche Vorstadt, Hastedt vom 15.2.2010.
Traueranzeigen WK vom 10. und 12.2.2010.