Elisabeth Lürssen setzte sich als politisch engagierte Lehrerin für Bildungsfragen für Mädchen ein.
18.9.1880 in Delmenhorst – 22.4.1972 in Bremen
Die älteste Tochter des Delmenhorster Fabrikanten Carl Hinrich Lürssen und der aus einem Pastorenhaus stammenden Louise Margarethe Benckendorff ließ sich zunächst zur Lehrerin ausbilden und unterrichtete ab 1899 an der Bürgerschule und der Höheren Mädchenschule in Bad Harzburg. 1909 machte sie ihr Abitur in Braunschweig nach und begann mit dem Studium der Fächer Deutsch, Geschichte und Französisch, das sie nach Göttingen, München und Leipzig führte. Nach der Promotion im Fach Geschichte schloss sie 1916 die Prüfung für das höhere Lehramt mit Auszeichnung ab. Das Thema ihrer schriftlichen Arbeit: „Beurteilung der neuesten Versuche geschichtlicher Lehrbücher soziologischer Richtung“ weist bereits auf einen Forschungsgegenstand hin, dem sie sich auch während ihrer Tätigkeit als Lehrerin widmete. Im 1.Weltkrieg übernahm sie im Rahmen des Vaterländischen Hilfsdienstes die Vertretung von im Felde stehenden Kollegen, und ab 1918 arbeitete sie in der deutschen Zivilverwaltung im besetzten Belgien.
Ostern 1919 kam sie nach Bremen. Sie unterrichtete als Oberlehrerin, dann als Studienrätin an der Kippenbergschule, der sie während ihrer gesamten Berufstätigkeit treu bleiben sollte. Schon 1920 wurde sie als Abgeordnete der DVP in die Bürgerschaft gewählt. Diese Funktion hatte sie bis 1933 inne. Als Mitglied der Schuldeputation sprach sie im Parlament hauptsächlich zur Schulpolitik, wobei sie vor allem die Belange der höheren Bildung für Mädchen engagiert vertrat, sich aber auch generell für die Rechte von Frauen einsetzte, seien es die Fürsorgerinnen oder die unverheirateten Beamtinnen. Sie kandidierte auch mehrfach für ihre Partei zum Reichstag. Dennoch sah sie ihre Hauptaufgabe in der Schule und verbat sich, für die parlamentarische Arbeit allzu weitgehend vom Unterricht freigestellt zu werden. Beide Bereiche, Politik und Schule, verband sie in ihren Bestrebungen, staatsbürgerliche Erziehung als Unterrichtsfach einzuführen.
Aber noch auf einem dritten Feld betätigte sie sich aus Überzeugung: Sie war nicht nur Mitglied in den berufsständischen Vereinen der Frauenbewegung, sondern trat auch aktiv hervor. So hielt sie im Bund Deutscher Frauenvereine eine Rede über „Die politische Machtbildung der Frau“. Als Vorstandsmitglied des Deutschen Akademikerinnen-Bundes besuchte sie viele Tagungen, über die sie der Bremer Ortsgruppe berichtete. In der vom allgemeinen Deutschen Lehrerinnen-Verein herausgegebenen Schriftenreihe „Quellen zur Frauenbewegung“ veröffentlichte sie ein Heft zum Thema „Die Frauen des fürstlichen Absolutismus“.
Kein Wunder, dass diese politisch aktive Frau das Misstrauen der Schulbehörde im „Dritten Reich“ erregte. 1933 wurde ihr Unterricht überprüft und ihr die Lehrberechtigung für das Fach Geschichte entzogen. Erst als im 2.Weltkrieg alle Kräfte angespannt werden mussten, stellte man die politischen Bedenken gegen sie zurück. Während der Kinderlandverschickung übernahm sie die Leitung des in Bremen verbliebenen Teils der Kippenbergschule.
In ihre Zeit als Direktorin fiel die völlige Zerstörung des Schulgebäudes im Oktober 1944, die Rückführung der evakuierten Schülerinnen im Dezember 1945, die Wiederaufnahme des Unterrichts in den behelfsmäßigen Räumen der Biermann-Villa an der Schwachhauser Heerstraße und schließlich der Einzug der Mädchenschule in das Realgymnasium für Jungen an der Hermann-Böse-Straße. Zehn Jahre dauerte die „pädagogische Zweckehe“, während der sich beide Schulen das Gebäude teilten. Als sie 1949 in den Ruhestand trat, hatte sie die Weichen für den Schulneubau an der Schwachhauser Heerstraße bereits gestellt, der 1956 bezogen werden konnte. Aber auch in die politische Arena trat sie nach Kriegsende wieder ein. 1947 wurde sie als Mitbegründerin der Bremer Demokratischen Volkspartei in die erste gewählte Nachkriegsbürgerschaft berufen. Ihre Arbeit in der Deputation galt der Schulreform und Fragen der Koedukation. Maßgeblich beteiligt war sie auch an der Gründung des Bremer Frauenausschusses und des Deutschen Frauenringes, dessen Staatsbürgerlichen Arbeitskreis sie leitete.
Elisabeth Hannover-Drück
(aktualisiert)
Literatur und Quellen:
Renate Meyer-Braun: Bremer Sozial- und Bildungspolitikerinnen: Agnes Heineken (1872-1954), Dr. Elisabeth Lürssen (1880-1972), Anna Stiegler (1881-1963), Annemarie Mevissen (1914-2006). in: Lars U. Scholl (Hrsg.): Regionale Herkunft und nationale Bedeutung. Leistungen Bremer Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik. Kultur und Theologie, Jahrbuch der Wittheit zu Bremen 2010/2011, Bremen 2012.
Wulff, Hinrich: Geschichte und Gesicht der bremischen Lehrerschaft, 2.Bd., Bremen 1950.