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Die Rolle der Frauen im Prozess der deutschen Einigung. Podiumsdiskussion 2010

Die Rolle der Frauen im Prozess der deutschen Einigung.
Veranstaltung zum Tag der deutschen Einheit am 28. September 2010 im Bremer Rathaus.

Der Bremer Frauenausschuss (bfa) und das Bremer Frauenmuseum (bfm) hatten zu einer Podiumsdiskussion in den Kaminsaal des Bremer Rathauses eingeladen.  Auf dem Podium: Tatjana Böhm, Soziologin, 1989 Mitgründerin des Unabhängigen Frauenverbandes der DDR, heute Referatsleiterin im Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Brandenburg, Prof. Dr. Ute Gerhard,  Soziologin, Mitgründerin und Direktorin des Cornelia-Goethe-Centrums für Frauenstudien und Geschlechterforschung der Universität Frankfurt (Main), Anette Niemeyer, Mitgründerin der Unabhängigen Frauenverbandes Rostock, bis 1994 Schiffbauingenieurin, heute Fraktionsgeschäftsführerin der Fraktion Rostocker Bund/Graue/Aufbruch 09 in der Rostocker Bürgerschaft, Dr. Anne Ulrich, Geschäftsführerin Grüne Akademie der Heinrich Böll-Stiftung, Berlin.

 

Im Mittelpunkt der lebhaften Diskussion, moderiert von Dr. Renate Meyer-Braun, standen die unterschiedlichen Erwartungen der Frauen an die jeweils anderen. Dabei musste es zu Enttäuschungen kommen, denn während die ostdeutschen Frauen sich schnell in eine Verteidigungsposition begaben, um aufrecht zu erhalten, was sie noch zu verbessern versuchten, sahen die westdeutschen Frauen ihre Hoffnung auf schnelle Lösung anstehender Probleme durch die „Neuen“ nicht erfüllt. Während die ostdeutschen Frauen sich unmittelbar in die politischen Prozesse einmischen mussten, war es ein Nachteil der westdeutschen autonomen Frauenbewegung, die zum Zeitpunkt der Wende ohnehin nicht mehr als Aktionsbündnis exisierte – dass sie sich auf eigene Projekte konzentrierte und ihr politischer Einfluss nur punktuell zu verzeichnen war. So kämpften die ostdeutschen Frauen um Gleichstellungsstellen, deren Einrichtung die autonome Frauenbewegung zunächst vehement abgelehnt und sich alternativ auf die Etablierung eigener Projekte konzentriert hatte. (Dass sie in Bremen z.B. dennoch eingerichtet wurde, geht auf die Aktivitäten der parteipolitisch und gewerkschaftlich organisierten Frauen zurück.)

Eine wesentliche Forderung im Vereinigungsprozess war die nach einer neuen deutschen Verfassung. Aus diesem Grund wurden auf einem Kongress in Frankfurt die Frauenforderungen ost- und westdeutscher Frauen formuliert, die aber – so berichtete Dr. Ute Gerhard – in den Männerklüngeln, die dann letzlich über den Einigungsprozess entschieden, keinerlei Berücksichtigung fanden. Eine neue Verassung wurde nicht beschlossen. Frauen waren generell in den entsprechende Aussschüssen des Einigungsprozesses nicht vorhanden.

Die Teilnehmerinnen des Podiums konstatierten, dass sich die Lebensbedingungen von Frauen angeglichen hätten – allerdings eher in negativer Hinsicht wie in Arbeitslosigkeit und in prekären Beschäftigungsverhältnissen; Und auch nach 20 Jahren seien nicht alle Unterschiede aufgehoben  – was u.a. den unterschiedlichen Sozialisationserfahrungen, den Erfahrungen des Einheitsprozesses selbst und den immer noch unterschiedlichen Chancen geschuldet sei.

Detailliertere Informationen über den Einheitsprozess und seine Auswirkungen auf Frauen sind in einem Artikel von Romina Schmitter  zu finden.

Die „Einheit“ und die Frauen, Artikel PDF

Link zum Thema: www.frauenkreise-berlin.de