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Ein Kommentar zur Austellung im Focke-Museum „So viel Wandel war nie“ 2010

Bremen 1945 bis 2010 – Soviel Wandel war nie
26. September 2010 bis 13. März 2011

Das Focke Museum zeigte die Ausstellung „Bremen 1945 bis 2010 – Soviel Wandel war nie“ vom Wiederaufbau Bremens bis zur Gegenwart. „Die Ausstellung erzählt die Geschichte Bremens in den letzten 65 Jahren: Wie aus den Trümmern der Nazi-Zeit in den 1950er und 1960er Jahre eine prosperierende Stadt mit demokratischen Verhältnissen und sozialem Fortschritt aufgebaut wurde, wie in den bewegten Jahren nach 1968 ein Aufbruch zu mehr Partizipation mit großen Veränderungen von Lebensweise und Kultur stattfand.“ Gezeigt wurde der Wiederaufbau der Stadt, die Entwicklung politischer und wirtschaftlicher Strukturen sowie kulturelle Veränderungen anhand von Dokumenten, Fotografien, Plakaten und Ausstellungsstücken. Ergänzend dazu konnten Interviews und Musikbeispiele gehört werden.

Eine fünfzigjährige Entwicklung darzustellen ist sicher nicht einfach: was muss unbedingt in eine solche Ausstellung aufgenommen, was kann weggelassen werden? Was sind die wichtigen, entscheidenden Aspekte eines gesellschaftlichen Wandels? Dass bei der vom Focke-Museum getroffenen Auswahl  Frauen und ihr Anteil an den Entwicklungen nur an wenigen Stellen gezeigt werden, ist jedoch mehr als befremdlich. Weder wird der Beitrag der Frauen bei der Beseitigung der Trümmer gewürdigt, noch ihre Arbeit zur alltäglichen Lebensbewältigung in der unmittelbaren Nachkriegszeit, oder die Familien- und Kinderarbeit bei zunehmender Erwerbsarbeit ab Mitte der 50er Jahre. Selbst die Tatsachen, dass erstmals nach dem Krieg eine Frau – Käte Popall – Senatorin wurde, die Gründung des Bremer Frauenausschusses, der noch heute aktiv ist, sowie die Einrichtung der Gleichstellungsstelle werden nicht erwähnt. Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung ist aber ohne die von Frauen geleistete Arbeit – ob in der Familie, im Beruf oder in ihrem Engagement (vielfach auch ehrenamtlich) in sozialen Einrichtungen, besonders in  ihren Leistungen im Bildungs- und Gesundheitswesen und in den Dienstleistungsberufen, nicht denkbar. Auch bei der Auswahl der Dokumente und Fotografien sind überwiegend Männer zu sehen,  wenn Frauen zu finden sind, werden sie nicht genannt. Dem entsprechend thematisiert auch keine Veranstaltung des Rahmenprogramms die Lebenswirklichkeit von Frauen mit ihren kulturellen, politischen oder sozialen Beiträgen.

Immer noch vernachlässigen Museen, bei der Konzipierung von Ausstellungen das „Thema Frau“ einzubeziehen und nicht als etwas zu begreifen, das noch hinzugefügt werden muss.  Statt dessen sollten Ausstellungen unter Genderaspekten konzipiert sein: erst die Fragestellungen Wie hat sich die soziale und politische Entwicklung auf die jeweiligen Geschlechter ausgewirkt macht eine Ausstellung umfassend und interessant.

Roswitha Muttenthaler, Regina Wonisch: Rollenbilder im Museum. Was erzählen Museen über Frauen und Männer?

Thema

Die Autorinnen spüren praxisnah dem Gender-Thema im Museum nach. Frauen und Männer sind in Museen nicht gleichgewichtig repräsentiert. Der Großteil der in Museen dokumentierten Geschichte ist männlich. Frauen sind in der Geschichte allenfalls das Salz in der Suppe. Doch mit der Emanzipation ist in den Museen ein neues Verständnis gewachsen, werden Forderungen laut und Strategien entwickelt, um der Verfestigung von Rollenbildern entgegenzuwirken. Die Autorinnen beschreiben und bewerten Ausstellungen dahingehend, wie sie gender-Aspekte aufnehmen. Die umfangreiche Bestandsaufnahme hilft, den geschlechtersensiblen Blick zu schärfen und zukunftsweisende Ansätze zu entwickeln.

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