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Gottfried, Gesche (1785 – 1831)

Gesche Gottfried, geb. Timm, wurde als Giftmörderin hingerichtet.

6.3.1785 in Bremen – 21.4.1831 in Bremen

Gesche wuchs mit ihrem Zwillingsbruder in einfachen Verhältnissen auf. Der Vater Johann Timm war Schneidermeister, die Mutter Margarethe Wollnäherin. Die Familie bewohnte zunächst ein Häuschen am Jakobi-Kirchhof, später zog sie in die Pelzerstraße 23 bzw. 27. Nachdem Gesche die Klipp- und die Kirchspielschule besucht hatte, wo sie Unterricht im Rechnen, Schreiben und in Religion erhielt, musste sie bereits im Alter von zwölf Jahren im elterlichen Handwerksbetrieb als Wollnäherin mitarbeiten.

Im Alter von 20 Jahren wurde sie mit dem etwas heruntergekommenen, aber vermögenden Sattlermeister und Witwer Johann Georg Miltenberg verheiratet. Aus dieser Ehe gingen fünf Kinder hervor, von denen zwei kurz nach der Geburt starben. Nach siebenjähriger Ehe vergiftete sie ihren kränkelnden Ehemann mit einem Butter-Arsenik-Gemisch, der „Mäusebutter“. Der Mord blieb unentdeckt. Sie intensivierte ihre Beziehung zu dem Weinhändler Michael Christoph Gottfried, den sie bereits während ihrer Ehe kennen gelernt hatte. Da er ihren Heiratswünschen zögerlich gegenüberstand, begann sie, alle Personen, die dieser Ehe ihrer Meinung nach im Wege standen, aus dem Weg zu räumen. Sie vergiftete zwischen Mai und September 1815 – ebenfalls mit „Mäusebutter“ – ihre Mutter, ihren Vater und ihre drei Kinder, etwas später ihren Zwillingsbruder Johann. Gottfried, von dem sie inzwischen ein Kind erwartete, stimmte einer Heirat immer noch nicht zu. Sie vergiftete ihn im Jahr 1817, ließ sich noch mit dem Sterbenden trauen, um drei Monate später einen toten Sohn zu gebären. In den Jahren nach G.s Tod hatte sie einige Liebschaften, litt unter ständigem Geldmangel, verschuldete sich und wechselte mehrmals die Wohnung. Ihren Verlobten Paul Thomas Zimmermann, Inhaber eines Modegeschäftes, vergiftete sie noch während der Verlobungszeit und in den nächsten Jahren setzte sie ihre Vergiftungsserie fort: Weitere sechs Menschen aus ihrem engsten Bekanntenkreis starben, etwa fünfzehn Personen erhielten Arsen in einer nicht tödlichen Dosis und kamen nach kurzer Krankheit mit dem Leben davon.

Alle Vergifteten litten vor ihrem Tod tagelang unter furchtbaren Schmerzen; Gesche pflegte sie zumeist liebevoll und aufopfernd. Dieses Verhalten, ihr guter Leumund und die Tatsache, dass man Arsen erst seit den vierziger Jahren des 19.Jahrhunderts chemisch einwandfrei im Körper nachweisen konnte, mag erklären, weshalb ein ernsthafter Verdacht gegen sie nicht aufkam. Sie galt in ihrer Umgebung als eine wohltätige und leidgeprüfte Frau, und das Bremer Bürgertum fiel aus allen Wolken, als es von der Verhaftung erfuhr.[1]

Diese erfolgte am 6.3.1828, ihrem Geburtstag. Sie hatte dem Rademachermeister Johann Christoph Rumpff, der ihr Haus in der Pelzerstraße gekauft hatte, monatelang „Mäusebutter“ unter das Essen gemischt, bis dieser Verdacht schöpfte. Rumpff ließ eine vergiftete Probe von einem Chemiker untersuchen und erstattete Anzeige. Nach und nach – unter ständigen Widerrufen – gestand sie schließlich die einzelnen Morde.

Am 17.9.1830 verurteilte das Obergericht in Bremen die Giftmörderin, durch die mindestens neunzehn Menschen zu Tode kamen, ebenfalls „zum Tode mittels des Schwerdtes“. Ihr Verteidiger Friedrich Leopold Voget beantragte Revision des Urteils beim Ober-Appellationsgericht in Lübeck. Doch das Urteil wurde am 6.4.1831 bestätigt und am 21.4.1831 auf dem Domshof öffentlich vollstreckt. An die 35.000 Menschen, die teilweise schon die Nacht dort verbracht hatten, sollen die Hinrichtung mitangesehen haben.

Schon in dieser Zeit wurde sie berühmt: Im Gefängnis wurde sie mehrmals porträtiert. Ein Budenbesitzer stellte an den Senat den Antrag, die Inhaftierte während der Freimarktstage ausstellen zu dürfen. Die Wissenschaft und die Literatur interessierten sich für die Giftmörderin, Juristen, Theologen und Mediziner beschäftigten sich mit ihren Untaten. Mehrere Darstellungen ihrer Lebensgeschichte erschienen und verschiedene Gelehrte versuchten sich an Studien zu ihrem Charakter.

An ihren Tötungsdelikten besteht kein Zweifel, aber über ihre Motive wird nach wie vor viel gemutmaßt und spekuliert. Der Autor, Schauspieler, Regisseur und Filmproduzent Rainer Werner Fassbinder (1945-1982) machte Gesche Gottfried zur Zentralfigur des Trauerspiels „Bremer Freiheit“ (1971, Film 1972). Darin ist Fassbinders „Geesche“[2] eine selbstbewusste Frau, der das eigenständige Denken, Leben und Lieben von ihrer Umwelt nicht zugestanden wird. „Der Mann, den ich in meinem Herzen haben möchte – wie der gemacht sein muss, will ich dir sagen, Johann: Der Mann muss akzeptieren, dass die Frau Verstand in ihrem Kopf hat und Vernunft! Kann sein, dass dieser Mann noch nicht geboren ist. So werd‘ ich mich enthalten können.“ – Geesche zu ihrem Bruder. Fassbinder konzentriert sich in seinem Film auf die Figur der Giftmörderin und die sozialen und psychologischen Hintergründe, die zu ihren Taten führten. Er zeigt sie als eine Frau, die in den Missverhältnissen einer Männergesellschaft keine andere Möglichkeit zur Befreiung und Selbstverwirklichung sah als durch Mord. Es geht ihm nicht um den Kriminalfall, Fassbinder interessiert sich allein für das Motiv der Mörderin.[3]. Das Singspiel auf ein Frauenleben, von Adriana Hölszky vertont, wurde 1988 auf der Münchener Biennale uraufgeführt.

In Büchern, Radiosendungen, Filmen etc. wird ihrem Leben und ihren Taten nachgegangen, um analysierend zu „verstehen“. Darüber hinaus ist auch die Auseinandersetzung mit ihrem Prozess interessant, da hier erstmalig medizinische, psychologische und psycho-soziale Aspekte – mehr oder weniger – berücksichtigt wurden.[4] Nach heutigen Kenntnissen würde sie wohl als „psychisch krank“ bezeichnet werden.

In Bremen wird auf Stadtrundgängen über sie erzählt und auf die Stelle des Schafotts hingewiesen, wo noch heute der sog. „Spuckstein“ an der Nordseite des Doms liegt, ein mit einem Kreuz versehener Pflasterstein: schon bald nach der Hinrichtung war der Brauch aufgekommen, dass Bremerinnen ihren Abscheu über die Mörderin durch Ausspucken zum Ausdruck brachten.

Eine Bremer Frauenzeitschrift[5] wurde nach ihr benannt und In den Wischen, einem Kleingartengebiet im Stadtteil Ohlenhof/Gröpelingen, erinnert der Gesche-Gottfried-Weg an sie.

Regina Contzen

Anmerkungen:
[1] Peer Meter zeigt in seinem Buch: Gift eine gegenteilige Sichtweise auf (Prozessakten).
[2] Schreibweise bei Fassbinder.
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Bremer_Freiheit. Zugriff 15.10.2015.
[4] Wie Anm.1.
[5] Die Zeitschrift gibt es inzwischen nicht mehr.

Literatur und Quellen:
Marzahn, Christian: Scheußliche Selbstgefälligkeit oder giftmordsüchtige Monomanie. In: Beiträge zur Sozialgeschichte Bremens, Heft 11/1988 Bremen.
Meter, Peer: Gesche Gottfried. Eine Bremer Tragödie, Bremen 2010.
Meter, Peer/Yelin, Barbara: Gift. Graphic Novel, Berlin 2010.
Schwarzwälder, Herbert: Reise in Bremens Vergangenheit, Bremen 1965.
Toppe, Sabine, in: Cyrus, Hannelore u.a. (Hrsg.): Bremer Frauen von A bis Z, Bremen 1991, S.448-452.
Voget, Friedrich Leopold: Lebensgeschichte der Giftmörderin Gesche Gottfried, Herausgegeben von dem Defensor derselben, Bremen 1831.