Anna Pöhland, geb. Klippel, engagierte sich für die sozialen Belange der Frauen.
4.1.1874 in Löderburg/ Magdeburg – 28.2.1919 in Bremen
Annas Eltern gehörten der ländlichen Bevölkerung Sachsens an. Vom dortigen Löderburg kam Anna um 1895 in die Stadt Bremen und übernahm für „freie Kost und Wohnung“[1] eine Stelle als Dienstmädchen im Haus des Baumwollkaufmanns und Senators George Albrecht am Breitenweg 6.[2]
Ende 1898 lernte sie auf einem Silvesterball in dem im Arbeiterstadtteil Gröpelingen gelegenen Café Flora, das auch ein Ort sozialdemokratischer Versammlungen war, den Maurer Robert Pöhland kennen und heiratete ihn am 6.10.1900. Nach dem 1.Kind, dem Sohn Robert, gab sie ihre Arbeitsstelle auf. Trotz vier weiterer Kinder – Klärchen 1903, Richard 1908, die Zwillinge Gretchen und Lottchen 1909, (1906 war ein Zwillingspaar tot geboren worden)[3] – trug sie zunächst durch den Verkauf von Handarbeiten der bei ihnen mit ihrem unehelichen Kind wohnenden Schwägerin Klara, dann jahrelang durch das Austragen der Bremer Bürgerzeitung (BBZ) zum finanziellen Unterhalt der Familie bei. Ihr Mann, mit dem sie seit seiner Einberufung an die Front im Mai 1915 einen intensiven Briefwechsel führte, kam am 21.10.1916 in Frankreich ums Leben; sie selber starb „wenige Tage nach der Niederschlagung der Bremer Räterepublik…an Erschöpfung, Überarbeitung und Entbehrung.“[4]
Ihr kurzes und hartes Leben ist in mehrfacher Hinsicht typisch für das Leben bremischer Dienstmädchen.[5] Sie war nicht aus Bremen gebürtig, sondern kam von außerhalb und dort vom Lande; sie arbeitete in einem Haus im Stadtbezirk 9, der Bahnhofsvorstadt, der neben dem Bezirk 8, genannt Schwachhauser Chaussee, der hauptsächliche Wohnbereich vor allem des Wirtschaftsbürgertums war. Wie die Mehrheit der weiblichen Dienstboten war sie, solange sie arbeitete, ledig und wie sie hatte sie schlechte Arbeitsbedingungen. So klagte sie – nach der Erzählung ihrer Tochter Klärchen – gegenüber der bei einem Weinhändler angestellten Elise Kesselbeck, „daß sie bei den Albrechts immer den zweiten Aufguss vom Tee bekäme, der … doch bitter und giftig“ sei.[6] Von der Mehrheit des weiblichen Hauspersonals wurden – nach zeitgenössischen Analysen, bedingt durch die ländliche Herkunft, die Privatheit des Arbeitsplatzes und die Internalisierung herrschaftlicher Normen[7] – Diskriminierungen widerspruchslos erduldet. Dass sich Anna Pöhland der seit 1900 auftretenden Dienstmädchenbewegung anschloss, ging auf die aus einer sozialdemokratischen Familie stammende Elise Kesselbeck zurück. Nach deren Überzeugung sollte Anna Pöhland „nicht immer nur jammern, sie sollte kämpfen“ und Elise sei es auch gewesen – wie Anna Pöhlands Tochter weiter erzählte – die der „Mutter dann die Gesindeordnung auseinanderklamüsert und ihr erklärt“ habe, „dass das ganze Elend der Dienstmädchen … daher käme.“[8]
Anna Pöhland nahm daraufhin an der Dienstmädchenversammlung am 13.1.1907 Auf den Häfen teil, die von der Sozialdemokratin Auguste Bosse einberufen und geleitet wurde und an der von den 8663 reichsstatistisch registrierten bremischen Dienstmädchen 600 teilnahmen.[9] „Vor Beginn der Versammlung“ seien „viele umgekehrt, weil der Saal überfüllt war.“[10] Angesichts der Tatsache aber, dass sich Dienstboten nach der bremischen Gesindeordnung von 1868, die 1894 und 1899 nur geringfügig novelliert worden war, „ohne … Erlaubnis, selbst in eigenen Angelegenheiten … nicht vom Hause entfernen“ durften,[11] ist die Zahl der Teilnehmerinnen nicht hoch genug einzuschätzen. Außerdem werden die Herrschaften die Politisierung der jungen Frauen mit Sicherheit nicht unterstützt haben. Jedenfalls wurde ein Dienstmädchenverein gegründet und das zeitgleich in der Faulenstraße eröffnete Gewerkschaftshaus stellte dem Verein Räumlichkeiten für Büro und Arbeitsvermittlung zur Verfügung.
Anders als Auguste Bosse und Elise Kesselbeck übernahm Anna Pöhland keine gewerkschaftlichen oder parteipolitischen Funktionen. Aber wie ihr Mann wurde sie eine aktive Sozialdemokratin. So waren beide Mitglieder des 1900 gegründeten Goethebundes, in dem sich „bis 1905 die gesamte Bildungsarbeit der Bremer Arbeiterorganisationen“ vollzog.[12]
In ihrem Brief vom 15.6.1916 berichtete sie ihrem Mann „voller Stolz von der von ihr mitgetragenen Hungerdemonstration der Arbeiterfrauen vor der Lebensmittelkommission, die sich gegen die unzulängliche Versorgung mit Lebensmitteln und…gegen die mangelnden staatlichen Unterstützungsleistungen richtete.“[13] Dabei war sie es, die dem zuständigen Senator die Forderungen der Arbeiterfrauen vortrug.[14] Sie „besaß einen ausgeprägten Klassenstolz.“[15] Als eine Kaufmannsfrau ihr anbot, die Ausbildung ihres ältesten Sohnes zu unterstützen, lehnte sie ab und schrieb ihrem Mann: „Ich habe ihr gesagt, es sei Sache des Staates, für begabte Kinder Geld auszugeben.“[16] Nach ihrer Tochter war es „so, dass meine Eltern uns schon alle früh an die Politik rangeführt haben.“[17] Alle Kinder traten der KPD bei, drei waren während der NS-Herrschaft im Widerstand, (Klärchen, Lottchen, Richard). Diese Politisierung der Kinder war sicher auch eine Folge davon, dass sich ihre Eltern nach der Zustimmung der SPD zu den Kriegskrediten am 2.12.1914 von Gewerkschaften und Sozialdemokratie distanziert hatten. Anna Pöhland „schloss sich den Bremer Linksradikalen an“ und trat der „Gruppe internationale Kommunisten Deutschland“ nach deren Gründung bei.[18]
Sie war eine klarsichtige und politisch konsequente Sozialdemokratin, dann Kommunistin. Hätte sie länger leben können, wäre sie zur NS-Zeit wohl eine Widerstandskämpferin geworden.
Romina Schmitter
Anmerkungen:
[1] Friese, S.269.
[2] Bremer Adressbuch 1895.
[3] Kachulle, S.18f.
[4] Schunter-Kleemann, S.360.
[5] Schmitter, S.23-43.
[6] Wie Anm.3, S.97.
[7] Stillich, S.91.
[8] Wie Anm.3.
[9] BN 14.1.1907; BBZ 16.1.1907.
[10] Leserbrief BN 16.1.1907.
[11] Bremisches Gesetzbl.1899 Gesindeordnung § 41.
[12] Wie Anm.3, S.207, dort Anm.8.
[13] Wie Anm.4, S.359.
[14] Wie Anm.3, S.130f.
[15] Wie Anm.4, S.359.
[16] wie Anm.3, S.56, Brief vom 21.11.1915.
[17] Ebda.S.25f.
[18] Wie Anm.4.
Literatur und Quellen:
Bremer Adressbuch 1895, StAB Za-128.
BBZ 16.1.1907.
Bremisches Gesetzblatt 1899, S.382-399.
Bremer Nachrichten 14.1.1907; 16.1.1907.
Friese, Marianne: Frauenarbeit und soziale Reproduktion. Eine Strukturuntersuchung zur Herausbildung des weiblichen Proletariats, dargestellt an der Region Bremen, Bremen 1991.
Kachulle, Doris (Hrsg.): Die Pöhlands im Krieg. Briefe einer Arbeiterfamilie aus dem 1.Weltkrieg, Köln 1982.
Schmitter, Romina: Dienstmädchen, Jutearbeiterinnen und Schneiderinnen. Frauenerwerbsarbeit in der Stadt Bremen 1871-1914, Bremen 1996.
Schunter-Kleemann, Susanne: Pöhland, Anna; in: Cyrus, Hannelore u.a. (Hrsg.): Bremer Frauen von A bis Z, Bremen 1991, S.358-360.
Stillich, Oscar: Die Lage der weiblichen Dienstboten in Berlin, Berlin 1902.