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Stricker, Käthe (1878 – 1979)

22.11.1878 in Vegesack – 23.11.1979 in Bremen

Catharine, gen. Käthe, war die jüngste Tochter der Betty, geb. Hohorst, und des Schiffskapitäns Lüder Stricker, der aus seiner ersten Ehe zwei weitere Töchter und einen Sohn mitgebracht hatte. Nach dem Tod des Vaters 1882 zog sie mit ihrer Mutter, den drei Geschwistern und der Großmutter Marie Hohorst nach Hannover. Dort besuchte sie von 1885 bis 1894 eine Höhere Töchterschule und anschließend für drei Jahre das Lehrerinnenseminar, das sie im März 1897 mit der Lehrbefähigung für Mittlere und Höhere Mädchenschulen abschloss. Von 1897 bis 1898 erlernte sie in Hille bei Minden bei einer Pastorenfamilie die Hauswirtschaft. Von 1898 bis 1900 unterrichtete sie in London in einer deutsch-englischen Privatschule und bis Ostern 1904 in Verden in einer privaten Höheren Mädchenschule. 1904 bis 1907 studierte sie in Göttingen und legte im Oktober 1907 ihr Oberlehrerinnenexamen in den Fächern Englisch, Geschichte und Philosophie ab; 1912 holte sie die gleiche Prüfung im Fach Deutsch nach.

Bis 1908 war sie Lehrerin in Hannover, danach in Bremen in der Höheren Mädchenschule Anna Vietor, die 1912 zum Lyzeum umgewandelt wurde. Wegen ihrer Schwerhörigkeit, die sich bereits 1914 bemerkbar machte, reduzierte sie ihren Unterricht 1920 auf 12 Stunden und kündigte drei Jahre später den Dienst, weil die Behörde sie nach der Verstaatlichung des Lyzeums 1922 weder als Angestellte noch als Beamtin übernehmen wollte. Käthe Stricker verstärkte ihre Tätigkeit in der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), deren Bremer Ortsgruppe 1918 gegründet worden war, desgleichen ihre wissenschaftliche Arbeit in Bibliotheken und im Staatsarchiv und trat zunehmend als Referentin auf. Außerdem setzte sie ihre Reisen fort, zunächst innerhalb Deutschlands, nach dem Ende des 2.Weltkrieges auch nach Holland, Belgien, Norwegen, Frankreich, Italien und in die Schweiz. Käthe Strickers Berufs- und Arbeitsleben war lange von der Notwendigkeit bestimmt, die Mutter (gest. 1919) und die beiden Schwestern – die älteste starb 1935, die mittlere 1937 – zu versorgen. Sie selbst starb einen Tag nach ihrem 101.Geburtstag in ihrer kleinen Wohnung in der Gabriel-Seidl-Straße.

Sie war eine der ersten Akademikerinnen, die in Deutschland studierten. Sie musste viele ihrer Übungen an der Göttinger Universität privat absolvieren, weil Frauen erst ab 1901 an den Universitäten Heidelberg und Freiburg zugelassen waren, in Preußen erst ab 1908 und noch bis 1919 von jeder öffentlichen Veranstaltung ausgeschlossen werden konnten. Nach Aussagen ihrer Schülerin Karin Magnussen muss sie „eine starke Persönlichkeit“[1] gewesen sein. Noch in hohem Alter wurde sie von Ehemaligen besucht, so zu ihrem 100.Geburtstag von Hilda Heinemann, der Frau des Bundespräsidenten. Auch ihr quellenkundlich orientierter Geschichtsunterricht, den sie durch ihre religions- und kunstgeschichtlichen Kenntnisse erweiterte, wurde hervorgehoben, ebenso ihre Bereitschaft zu kontinuierlicher Fortbildung.

Ihr Engagement in der DNVP galt vorwiegend den Frauen. Sie war Geschäftsführerin des Frauenausschusses und stellte Kontakte zu den deutschnationalen Ausschüssen in anderen Städten des Reichs her. Sie vertrat die weiblichen Mitglieder der Bremer Ortsgruppe auf der Tagung des Reichsfrauenausschusses in Berlin 1920 und im Herbst desselben Jahres auf der Deutschnationalen Frauentagung in Frankfurt. Sie setzte sich in zahlreichen Vorträgen für die politische Arbeit von Frauen ein und veranstaltete entsprechende Arbeitsgemeinschaften, in denen Fragen der Religion, der Bildung und sogar der Prostitution behandelt wurden, die im Zusammenhang mit der Helenen- bzw. Kontrollstraße in Bremen in den 20er Jahren auch die Bürgerschaft beschäftigte.

Ihre vaterländische Orientierung führte zur Identifizierung mit Männern wie dem Bremer Historiker Dietrich Schäfer (1845-1929), der Mitglied mehrerer nationaler bzw. nationalistischer Verbände war, dem Staatssekretär und Vorsitzenden der DNVP Karl Helfferich (1872-1924) oder dem Industriellen und DNVP-Poltiker Alfred Hugenberg (1865-1951). Damit lässt sich erklären, dass sie gegenüber dem aufkommenden Nationalsozialismus allenfalls Distanz aufbrachte.

Ihre Bedeutung für die Frauenbewegung ist darin zu sehen, dass sie zu den Pionierinnen frauenrelevanter Forschung gehörte. In der Historischen Gesellschaft, in der sie seit 1912 Mitglied war, hielt sie als erste Frau einen Vortrag – er galt „Shakespeare im Bremischen Theater“. 1936 veröffentlichte sie einen Aufsatz über „Dorothea Tieck und ihr Schaffen für Shakespeare“ und Texte über Anna Vietor und Bernhardine Schulze-Smidt; sie befasste sich wiederholt mit Betty Gleim und in ihrem Nachlass finden sich Manuskripte über die amerikanische Pazifistin Jane Addams (1860-1935).

In der bremischen Volkshochschule referierte sie über Frauen der Klassik und Romantik und veröffentlichte in den von Emmy Beckmann und Irma Stoß herausgegebenen „Quellenheften zum Frauenleben in der Deutschen Geschichte“, Hefte über „Deutsche Frauenbildung…“ und „Die Frau in der Reformation.“

Publikationen
Bernhardine Schulze-Smidt, in: Bremisches Jahrbuch, Bremen 1922, S.119-125
Die Frau in der Reformation, Quellenhefte zum Frauenleben in der Deutschen Geschichte, Heft 11, Berlin 1927
Deutsche Frauenbildung vom 16. Jahrhundert bis Mitte des 19. Jahrhunderts, Quellenhefte zum Frauenleben in der Deutschen Geschichte, Heft 21, Berlin 1927
Dorothea Tieck und ihr Schaffen für Shakespeare, in: Jahrbuch der Deutschen Shakespeare Gesellschaft, 1936
Betty Gleim, in: Bremisches Jahrbuch 1941
Anna Vietor, in: Bremische Biographie 1912-1962, Bremen 1969
Mein Lebenslauf in Stichworten, in: Bericht des Vereins christlicher Lehrerinnen, Göttingen 1978/79
Vegesack im 19.Jahrhundert – aus Erinnerungen an Marie Raschen und Beta Seebeck, o.O., o.J. (Typoskript) Museum Schloss Schönebeck, Archiv
Weitere Publikationen: siehe Bremisches Jahrbuch 40 (1941), S.118f

Anmerkungen
[1] Magnussen, o.S.

Literatur und Quellen
Ehrich, Karin: „…ich will ja auch geduldig ausharren“ – Käthe Stricker, in: Drechsel, Wiltrud (Hrsg.): Höhere Töchter. Zur Sozialisation bürgerlicher Mädchen im 19. Jahrhundert, Beiträge zur Sozialgeschichte Bremens; Bd. 21, Bremen 2001, S.141-160.
Magnussen, Karin: In Memoriam Käthe Stricker, Typoskript.
Nachlass Käthe Stricker StAB 7,122.

Romina Schmitter