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Schulen – FrauenOrt

Obwohl die Schulpflicht in Bremen 1844 eingeführt worden war, wurden erst 1881 die ersten sechs Lehrerinnen „im bremischen Volksschuldienst…‘versuchsweise‘ (angestellt).“[1] Damit hatten sie offiziellen Zugang zu öffentlichen Schulbauten. Für die Lehrerinnen der Höheren Mädchenschulen war das erst 1922 mit der Verstaatlichung der bis dahin privaten Mädchenschulen der Fall.

Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass es seit Anfang des 19.Jahrhunderts bremische Schulgründerinnen gab. Die erste war die Pianistin und Komponistin Elise Müller (1782-1849), die 1804 ein Erziehungsinstitut eröffnete, in dem sie Töchter der höheren Stände in Geschichte, Geografie, Deutsch, Englisch und Französisch, vor allem aber Musik unterrichtete.[2] Das Institut bestand bis 1820.

Es folgte die Mädchenpädagogin Betty Gleim (1781-1827). Sie begann 1806 mit einer Schule im Spitzenkiel und leitete 1812 vier Klassen mit insgesamt 80 Schülerinnen, die über die von Elise Müller hinaus auch in Physik unterrichtet wurden.[3] Während beide Gebäude – ob sie gemietet wurden oder Eigentum waren, kann hier nicht geklärt werden – nicht mehr existieren, sind die von zwei weiteren Schulgründerinnen – Anna Schomburg (1875-1955) und Anna Vietor (1860-1929) noch heute zu sehen.

Anna Schomburg hatte sich am Lehrerinnenseminar von A.M. Janson in der Wilhadistraße ausbilden lassen und dort seit 1898 unterrichtet. Am 1.4.1909 eröffnete sie eine eigene Höhere Mädchenschule, in deren unteren Klassen auch Jungen aufgenommen wurden.[4] Hintergrund war einmal ihre Kündigung an der A.M. Janson-Schule; wie vier weitere Kolleginnen protestierte sie damit gegen die Entlassung der Lehrerin Agnes Heineken (1872-1945) wegen ihrer Pressekritik des bremischen Mädchenschulwesens; vor allem aber wollte Anna Schomburg als Anhängerin der Reformpädagogen Fritz Gansberg und Heinrich Scharrelmann moderne Unterrichtsformen einführen. Nach erfolgreichem Abschluss der Prüfung als Schulvorsteherin im Jahre 1908 eröffnete sie ihre eigene Schule in einem Haus in der Hamburger Straße Nr.8. Nach Anstieg der Schülerinnenzahl und dem Erwerb der Konzessionen für die Unterrichtung der Mittel- und Oberstufe zog sie in ein größeres Haus in der Lüneburgerstraße Nr.11/Ecke Celler Straße um, und als auch dessen Räumlichkeiten nicht mehr ausreichten, ließ sie „unter großem finanziellem Risiko“[5] von 1912-1914 von dem Architekten Hermann Basselmann in der Hoyaer Straße Nr.11 – mit der Front zum Brommyplatz – ihre Mädchenschule bauen. Die Schule wurde am 1.5.1914 eingeweiht. Sie war ein „zweigeschossiger Backsteinbau mit ausgebautem Dachgeschoss im ursprünglich schiefergedeckten Mansardenwalmdach“. Über dem Fenster oberhalb des Eingangsbereichs war ein „Flachrelief mit knieenden Mädchen“ angebracht, die sich „zwischen zwei sich über sie biegenden Bäumen mit Blüten und Vögeln“ befinden.[6] Unter dem Fenster ist die Inschrift zu lesen: „Und dein Streben – sei’s in Liebe – und dein Leben – sei die Tat“. Ein zweiter Bauabschnitt, den Anna Schomburg für 1917 plante, wurde durch die Kriegsereignisse verhindert.[7] Mit der Verstaatlichung der Höheren Mädchenschulen 1922 wurde die Schule zum „Städtischen Lyzeum Schomburg“. Anna Sch. erhielt „nach Abschluß des Kaufvertrages im Juni 1922…eine Abschlagszahlung von 1.250.000 Mark und ein Jahr später außer einem Betrag für Lehrmittel die Summe von 200.000.000 Mark.“[8] 1939 musste das Schulgebäude den Mannschaften des Sicherheits- und Hilfsdienstes überlassen werden und die Klassen kamen zur Aufbauschule an der Hamburgerstraße. Inzwischen befindet sich in der ehemaligen Anna-Schomburg-Schule das Polizeirevier Hoyaer Straße 11. Seit 1984 steht sie unter Denkmalschutz.

Während nichts an diesem Gebäude an die Bauherrin und Schulgründerin erinnert, weist eine Tafel links vom Eingang der heutigen Grundschule an der Carl-Schurz-Straße in Schwachhausen darauf hin, dass es sich bei dem Gebäude um „die seit 1899 durch die Bremer Pädagogin Anna Vietor (1860-1929) aufgebaute Mädchenschule“ handelt.[9] Wie Anna Schomburg leitete Anna Vietor nach bestandenem Vorsteherinnenexamen ihre Schule zunächst in einem Wohnhaus – Am Dobben 109 – und wie jene ließ sie bei wachsender Schülerinnenzahl ein Schulgebäude errichten, das – wie die Schule in der Hoyaer Straße – aus zwei Geschossen bestand. Allerdings war die nach den Vorstellungen der Bauherrin von den Architekten August Abbehusen und Otto Blendermann gebaute Schule kein roter Backsteinbau, sondern ein weißes Gebäude in klassizistischem Stil mit großen und hellen Räumen. Im Erdgeschoss wurde der parallel zur Straße – damals Bürgermeister-Smidt-Straße – liegende mehrräumige Eingangsbereich durch fünf eine Reihe bildende Klassenräume mit der Turnhalle im Hintergrund verbunden. Im Obergeschoss befand sich über der Turnhalle die Aula, über den Eingangsräumen lagen die Räume für Praktika, Physik und Zeichenunterricht sowie die Aufbewahrung von Lehrmitteln, während die Verbindung zwischen dem vorderen und hinteren Gebäudeteil eine weitere Fünferreihe von Klassenzimmern bildete.[10]

Am 1.10.1913 wurde die Anna-Vietor-Schule eingeweiht; 1922 wurde sie wie alle Höheren Mädchenschulen Bremens verstaatlicht. Sie bestand aber unter dem Namen der Gründerin bis zum 2.Weltkrieg weiter. Danach wurde aus der ehemaligen Mädchenschule die heutige Grundschule an der Carl-Schurz-Straße und die Schülerinnen gingen in die Biermann-Villa an der Schwachhauser Heerstraße, die seit 1953 zum Kippenberg-Gymnasium gehört.[11]

Anmerkungen
[1] Wulff Bd.2, S.131.
[2] Bösenberg, S.26.
[3] Pöppel; in: Cyrus u.a. (Hrsg.), S.210.
[4] Schwarzwälder Bd.2, S.775.
[5] Hannover-Drück; in: Cyrus u.a. (Hrsg.), S.252.
[6] Gramatzki, o.S.
[7] Rudolf, S.47.
[8] Ebda., S.48.
[9] Auf Initiative des Vereins Bremer Frauenmuseum e.V. vom Bremer Zentrum für Baukultur und dem Senator für das Bauwesen angebracht.
[10] Drechsel, S.27, 28 (Grundrisse des Unter- und Obergeschosses).
[11] Schwarzwälder Bd.2, S.929f.

Literatur und Quellen
Bösenberg, Sibylla: Ein Glück für mich ist die Musik. Elise Müller, eine Bremer Musikerin in der Zeit der Romantik (Bremen) 2014.
Drechsel, Wiltrud Ulrike: Lehren und Lernen in der Standesschule; in: dies. (Hrsg.): Höhere Töchter – Zur Sozialisation bürgerlicher Mädchen im 19. Jahrhundert/ Beiträge zur Sozialgeschichte Bremens Heft 21, Bremen 2001, S.17-31.
Gramatzki, Rolf: Bauen und Bildung, Bremen 2002 (unveröff. Manuskript).
Hannover-Drück, Elisabeth: Schomburg, Anna; in: Cyrus, Hannelore u.a. (Hrsg.): Bremer Frauen von A bis Z – Ein biographisches Lexikon, Bremen 1991, S.251-252.
Pöppel, Ingrid: Gleim, Betty; in: Cyrus, Hannelore u.a. (Hrsg.): Bremer Frauen von A bis Z – Ein biographisches Lexikon, Bremen 1991, S.209-212.
Rudolf, Philip: Schulgeschichte der Aufbauschule und des Gymnasiums an der Hamburger Straße 1922-1966 mit Lehrerseminar – Jansonschule – Schomburgschule, Bremen 1972.
Schwarzwälder, Herbert: Das große Bremer Lexikon Bd.2, Bremen 2003.

Romina Schmitter