Else Esselborn, geb. Götz, engagierte sich als Gewerkschafterin und Betriebsrätin besonders für Frauen in der Arbeitswelt.
23.4.1938 in Augsburg – 15.7.2015 in Bremen
Else wurde als drittes von vier Kindern von Wilhelm Götz und seiner Ehefrau Anna, geb. Färber in Augsburg geboren. Ihr Vater war Eisenbahner. Geld war in der Familie knapp. Vielleicht kam sie deshalb für ein Jahr in die Kinderlandverschickung der NSDAP. Nach ihrer Rückkehr kümmerte sich ihre Großmutter um sie.
Großvater und Großmutter Radler waren überzeugte Gegner des Nationalsozialismus. Im Hause der Familie Radler wurde politisch diskutiert und engagiert gegen die nationalsozialistischen Machthaber Stellung bezogen, Meinungen, die das junge Mädchen prägten. Ihr Großvater wurde 1941 verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau verschleppt. Er starb schon kurz nach seiner Entlassung an den Folgen der KZ-Haft.
Nach dem Besuch der Volksschule in Augsburg arbeitete Else mit gerade 15 Jahren in einer Weberei. Sie wurde Mitglied der IG Metall (IGM) und der Freien Deutschen Jugend (FDJ) und später auch der illegalen Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD).
Auf einer FDJ-Ferienfeizeit lernte sie den Werkzeugmacher Andreas Stöckl kennen. Sie heirateten 1957 und lebten in München. 1958 wurde ihr Mann wegen illegaler Tätigkeit für die verbotene KPD verhaftet und von einem Münchener Gericht zu neun Monaten Gefängnis verurteilt. 1959 wurde ihre Tochter Inge geboren.
Die späten 50er und die 60er Jahre wurden endlich für Else und ihre Familie zur “schönen Münchener Zeit“. In einem Haus am Ammersee, welches sie zusammen mit Freunden für 99 Jahre gepachtet hatten, trafen sie sich mit der Familie und Freunden, um zu diskutieren und Feste zu feiern.
1963 begann sie ihre Tätigkeit im BMW-Werk München und ihr gewerkschaftliches Engagement als Mitglied des Vertrauenskörpers der IGM. 1968 reiste sie auf Einladung der KPdSU für drei Wochen in die Sowjetunion und besuchte Moskau, Leningrad und andere Städte des Landes. Während diese Reise lernte sie Willi Esselborn kennen und lieben. Nach ihrer Rückkehr trennte sich von ihrem Mann Andreas, zog mit ihrer Tochter nach Bremen und bezog mit Willi in der Neuen Vahr eine Wohnung. 1969 heirateten sie. Sie wurde Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), für die sie später auch zur Bürgerschaftswahl kandierte.
1970 wurde sie Verkäuferin im Kaufhaus Karstadt in Bremen. Sie trat in die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) ein. 1972 wurde sie erstmals in den Betriebsrat des Kaufhauses gewählt, 1978 freigestellte Betriebsrätin und stellvertretende Betriebsratsvorsitzende.
Ihr zentrales Anliegen im Betriebsrat und bei ihrem gewerkschaftlichen Engagement war die Verbesserung der schwierigen Situation der Frauen in der Arbeitswelt, besonders im Handel. In diesem Sektor stellen Frauen den größten Teil der Arbeitskräfte, überwiegend sind sie aber nur als Teilzeitkräfte oder als geringfügig Beschäftigte ohne soziale Absicherung eingestellt. Else setzte sich unermüdlich für ein existenzsicherndes Einkommen für Frauen, die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen sowie für einen gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit ein. Ein wichtiges Thema wurde auch der Kampf gegen die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten. In den Auseinandersetzungen um die Sonntagsöffnung wie auch bei der Einführung des Dienstleistungsabends konnte sie aus der Sicht einer Betroffenen argumentieren, denn sie wusste, was es für Frauen bedeutet, Berufsarbeit und Familienarbeit miteinander vereinbaren zu müssen. 1980 wurde sie zur Vorsitzenden des HBV-Frauenausschusses gewählt. Im gleichen Jahr wurde sie auch Mitglied im DGB-Kreisfrauenausschuss, wo sie wenig später den stellvertretenden Vorsitz und schließlich 1984 den Vorsitz übernahm.
Die betrieblichen Erfahrungen ließen sie zu einer der Vorkämpferinnen für die Einführung des Internationalen Frauentages im gewerkschaftlichen Bereich werden. Sie arbeitete als Vertreterin ihrer Gewerkschaft in der Bremer Frauenrunde mit, die zu Beginn der 80-er Jahre von Frauen verschiedener Gruppierungen gegründet worden war. Die Frauenrunde hatte sich das Ziel gesetzt, den Internationalen Frauentag wieder zu einem öffentlichen Tag des Eintretens für Fraueninteressen zu machen.
Während die Gewerkschaftsfrauen schon mit der Vorbereitung des 8.März 1980 beschäftigt waren, erging vom DGB-Bundesvorstand ein Beschluss, der eine Beteiligung der DGB-Frauen an Aktionen zum Internationalen Frauentag untersagte. Die Empörung der Gewerkschaftsfrauen führte dazu, dass dieser Beschluss von den Bundesvorständen der Einzelgewerkschaften HBV, IGM und ÖTV noch im gleichen Jahr und vom DGB 1981 dahingehend modifiziert wurde, dass die Gewerkschafterinnen nun eigene Veranstaltungen durchführen konnten, untersagt war jedoch die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen. Sie initiierte 1981 in Bremen die Vorbereitungen für den 8.März im gewerkschaftlichen Rahmen. Ihr war es wichtig, dass zunächst die Kolleginnen mit ihren betrieblichen Problemen für Aktionen gewonnen wurden. Mit ihren Gewerkschaftskolleginnen organisierte sie in diesem Jahr Aktionen vor Betrieben, für die sich „die Gewerkschaftsfrauen Kostüme von Dienstmädchen und Arbeiterinnen der Jahrhundertwende besorgt hatten, um beim Flugblattverteilen besondere Aufmerksamkeit zu erregen.[1] Sie verteilten rote Nelken und Informationsblätter an die Beschäftigten.
Diese Aktionen wurden nicht nur begrüßt. Es gab heftige Kritik an ihrer Person und ihren Aktivitäten sowohl von anderen DGB-Frauen, die befürchteten dass die Veranstaltungen nur für die DKP gemacht würden, als auch von Seiten ihrer Partei, die von ihr verlangte eine Demonstration für den 8.März durchzusetzen. Sie gehörte dem Bezirksvorstand der DKP an.
In den Folgejahren sprach sie auf den Demonstrationen des Frauenbündnisses zu wichtigen gewerkschaftlichen Themen: 1984 kritisierte sie die Absicht der Bundesregierung, Frauen in die Bundeswehr einzubeziehen, 1985 setzte sie sich mit den Vorschlägen zur Flexibilisierung der Beschäftigungsverhältnisse, die ‚Arbeit auf Abruf‘ salonfähig machen sollten, auseinander und 1987 thematisierte sie die Schließung des Kaufhaus Hertie.
Elses unermüdliches Engagement war ausschlaggebend dafür, dass sie von ihren Bremer HBV-Kolleginnen und Kollegen zur stellvertretenden Vorsitzenden des Ortsverwaltungsvorstandes der Gewerkschaft HBV gewählt wurde. Als Delegierte auf Landes- und Bundesebene vertrat sie mit bemerkenswertem Einsatz die Interessen ihrer Kollegen und insbesondere der Kolleginnen.
Nicht zuletzt im Gedenken an ihren Großvater war es ihr eine Ehre und Genugtuung, am 4.2.1985 die Rede zur Erinnerung an die Niederschlagung der Bremer Räterepublik zu halten.
Ein besonderer Tag ihres sozialen Engagements war 1988 der erste Arbeitskampf für die Beschäftigten im Bremer Einzelhandel. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen des Karstadt-Betriebsrats in Bremen führte sie diesen Streik erfolgreich an.
Völlig unvorbereitet traf es dann nicht nur Else, als 1989 das politische und soziale System in der DDR, der Sowjetunion und den übrigen „Bruderländern“ zusammenbrach. Sie beendete 1990 ihre Parteimitgliedschaft.
Als sich der Gesundheitszustand ihres Mannes rapide verschlechterte, gab sie im Jahr 2000 ihre Beschäftigung auf, um ihren Mann zu pflegen. Trotz dieser für sie sehr schweren Zeit blieb sie sozial engagiert. Sie beobachtet die deutsche Politik und beteiligte sich vehement an Diskussionen.
Sie starb im Alter von 77 Jahren.
Bernhard Baumeister
Anmerkungen:
[1] Stuckmann, Dagmar, S.303.
Literatur und Quellen:
Angestelltenkammer Bremen (Hrsg.): Dienstleistungsabend – verordneter Übergang in eine neue Gesellschaft?, Bremen 1988
Gautier, Dieter: Trauerrede anlässlich der Trauerfeier von Else Esselborn am 27.7.2015
Interviews mit Inge Stöckl, Tochter von Else Esselborn; Wolfgang Pokriefke, ehem. Konzernbetriebsratsvorsitzender Karstadt; Hajo Söffing, ehem. Geschäftsführer der Gewerkschaft HBV, Ortsverwaltung Bremen
Stuckmann, Dagmar: „Gebt Raum den Frauen“ – 100 Jahre Internationaler Frauentag in Bremen, Wiesbaden 2011, S.297 ff.