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Focke, Henriette (1786 – 1818)

Henriette Marie Dorothea Focke, geb. Olbers, litt unter ihrem Schicksal einer bürgerlichen Ehefrau.

6.3.1786 in Bremen – 8.10.1818 in Bremen

Henriette Marie Dorothea, gen. Doris, war die Tochter des bremischen Arztes und Astronomen Dr. med. Heinrich Wilhelm Olbers und seiner Frau Dorothea Elisabeth, (geb. Köhne, 1767-1786), die 18-jährig kurz nach Doris‘ Geburt starb. Doris kam mit dreizehn Jahren nach Hamburg in das Erziehungsinstitut der als weltoffen und aufgeschlossen bekannten Karoline Rudolphi. Zwei Jahre blieb sie in der Weltstadt Hamburg und genoss die vielseitigen Bildungsmöglichkeiten, insbesondere entwickelte sie ein großes literarisches Interesse, z.B. für die Schriften Herders, Schillers, Jean Pauls usw.

Nach der Rückkehr in ihre Heimatstadt im Jahre 1801 hatte sie zunächst große Schwierigkeiten, sich im engen Rahmen des gesellschaftlichen Lebens in Bremen wieder zurechtzufinden. Sie vermisste ihre Bekanntschaften und Freunde aus Hamburg und flüchtete noch stärker als bisher in die Welt der Literatur. Goethe wurde zu ihrem Idol. Ihre Begeisterung teilte sie mit einem jungen Lehrer der Hamburger Erziehungsanstalt: Johann Friedrich Benzenberg. Diese Beziehung intensivierte sich im Zuge seiner mehrmaligen Aufenthalte in Bremen, der die Erziehungsanstalt verlassen hatte und ohne Anstellung war. Beide verliebten sich ineinander und beabsichtigten zu heiraten. Doch der Vater verhinderte dies, indem er ihr von seinem Ruf als „Herzensbrecher“ und „Leichtfuß“ berichtete und auf einer standesgemäßen Verbindung bestand. Schweren Herzens verabschiedete sie sich von der Idee einer Heirat mit B. – zu dem sie zeitlebens eine freundschaftliche Beziehung behielt – und nahm den Antrag von Dr. jur. Christian Focke an, einem von drei bremischen Bewerbern.

Sie feierten im Sommer 1804 Hochzeit. Ihre Ehe empfand sie von Anfang an als das, was sie war, eine – damals übliche – Vernunftheirat. Der Briefwechsel, den sie in den vierzehn Jahren ihrer Ehe mit ihrem Bruder Georg[1] führte, ist ein beeindruckendes Dokument der Lebenssituation von bürgerlichen Frauen Anfang des 19.Jahrhunderts. Nach außen hin führte sie das Leben der guten Hausfrau, vorbildlichen Gattin und liebenden Mutter. Sie bekam in den Jahren 1805 bis 1818 sechs Kinder.[2] Jedoch bezeugen die 85 Briefe, die sie ihrem Bruder schrieb, dass sie in ihrer Ehe „trotz liebendem Ehemann und liebender Kinder“ einsam und unglücklich war. So schrieb sie ihrem Bruder: „Einst kannte ich ein höheres Glück.“ Und in einem späteren Brief: „Was fehlt mir eigentlich? Ich bin eine so glückliche Mutter, ich lebe in blühendem Wohlstande – und doch sehnt sich dieses unersättliche Herz nach etwas, das höher steht als dies alles!“

Das typische Rollenverständnis und die gesellschaftlichen Konventionen standen ihren Lebensvorstellungen, die über die selbstverständliche Rolle von Hausfrau, Gattin und Mutter hinausgingen, entgegen. Sie starb nach der Geburt ihres sechsten Kindes im Alter von 28 Jahren.

Sabine Toppe (aktualisiert)

Anmerkungen:
[1] Bruder aus zweiter Ehe ihres Vaters.
[2] Jeweils nur Geburtsdatum: Wilhelm 1805, Julius 1807, Gustav 1810, Malwina 1811, Dorothea 1817, Maria 1818.

Literatur und Quellen:
Briefe von Doris Focke, geb. Olbers an ihren Bruder, Bremen 1886, StAB
Freundschaftsbriefe aus einem rheinisch-bremischen Freundeskreis der Goethezeit, Bremisches Jahrb., Bd.31
Heyderhoff, Julius: Johann Friedrich Benzenberg und das Fockesche Haus in Bremen, Bremisches Jahrbuch Bd. 31
Kloos, Werner: Die Bremerin, Bremen 1965, S.106-107
Bildquelle: Doris Focke um 1802, Focke Museum, unbekannte Malerin.