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Wiegandt, Bertha (1889 – 1977)

Bertha Bernhardine Wiegandt war Malerin.

18.2.1889 in München – 29.12.1977 in Bremen

Bertha, die älteste Tochter des vielgereisten Malers Bernhard Friedrich Wilhelm Wiegandt (1851-1918) und seiner Ehefrau Bertha Gertrude, geb. zur Nieden, wurde in München geboren.

1890 ließ sich die Familie in Bremen nieder. Das konservative, der Moderne abgeneigte Bremer Publikum mochte seine Kunst, eine, wie es hieß, „am deutschen Realismus orientierte, gepflegte Malerei“. Diese Bevorzugung einer „repräsentativen Bildformel“[1] sicherte dem Künstler zahlreiche Aufträge, bot ihm und seiner Familie eine gute Existenzgrundlage und erlaubte ihm, seinen beiden Töchtern Bertha und der jüngeren Else eine ausgezeichnete Schulbildung zukommen zu lassen.

Die Stadt wurde der Familie zur Heimat. Bertha und Else Wiegandt hatten nicht nur das künstlerische Talent ihres Vaters geerbt, sondern sie waren auch seine aufmerksamen und gelehrigen Schülerinnen. Bereits als Kinder erhielten sie ersten Zeichenunterricht durch ihn. Sie kopierten, aquarellierten und interessierten sich für die unterschiedlichsten künstlerischen Techniken. Auch in den Höheren Töchterschulen – vermutlich besuchte nicht nur Bertha, sondern auch Elsa die Lyzeen von Ida Wohlers und Fräulein Wegener – wurde das Talent der Mädchen beobachtet und gefördert. So nimmt es nicht wunder, dass die beiden Schwestern eine Karriere als Malerin ins Auge fassten.

Bertha Wiegandt begann schon früh zu ihrem eigenen Unterhalt beizutragen. Bereits während ihres Studiums in Bremen gab sie Malstunden und unterrichtete von 1907 bis 1909 an einer Taubstummenschule. 1911 legte sie erfolgreich das Examen als Zeichenlehrerin ab, das zur Anstellung an Höheren Mädchenschulen berechtigte. Sie hielt nach einem festen Arbeitsplatz im Schuldienst Ausschau. Doch das war schwierig. Froh, überhaupt etwas zu verdienen, gab sie stundenweise Unterricht an ihrer ehemaligen Bildungsstätte, der Schule von Ida Wohlers. 1914 erklärte sie sich aus finanzieller Not heraus gegenüber der Bildungsbehörde bereit, auch an Volksschulen vertretungs- oder auch stundenweise zu unterrichten, da ihr Vater mit seiner „akademischen“ Malweise nach dem Erfolg der Freilicht- und Landschaftsmaler in Worpswede ins künstlerische Abseits geraten und arbeitslos geworden war.

Neben ihrer Arbeit bemühte sie sich um eine Ausbildung zur Handarbeitslehrerin, um durch eine doppelte Qualifikation die Chancen für die Übernahme in den Schuldienst zu verbessern. Mit dem Ausbruch des 1.Weltkrieges wurde diese Hoffnung zunichte gemacht. Doch der Krieg schuf freie Stellen – sie erhielt einen Vertrag als Zeichenlehrerin für die Kriegszeit mit dem ausdrücklichen Vermerk, dass damit keine Anwartschaft für eine Anstellung nach dem Kriege verbunden sei.

1919 fand sie endlich den Arbeitsplatz, der ihren Wünschen und Qualifikationen entsprach. Mathilde Plate (1878-1963), die inzwischen die Leitung des Lyzeums an der Kleinen Helle übernommen hatte, konnte Bertha Wiegandt zwar nur einen Zeitvertrag mit ungenügender finanzieller Absicherung anbieten, machte ihr jedoch Hoffnung auf eine endgültige Einstellung. Ein geregeltes Einkommen war nötiger denn je geworden, denn nach dem Tod des Vaters fiel ihr nun die alleinige Versorgung der Mutter zu.

Doch der Ruf ließ weiter auf sich warten. Verzweifelt über ihre unsichere Existenz, bat sie die Behörde immer wieder, sie fest in ihre Dienste zu nehmen, damit sie sich selbst und ihre Mutter „anständig erhalten“ könnte. Am 25.6.1921 schrieb sie unter anderem: „…aber daß ein Mensch, der etwas gelernt hat und Tüchtiges leisten will in der Vollkraft – ich bin jetzt 32 Jahre alt, sich behandeln lassen muß wie eine Almosenempfängerin, das verletzt mein Selbstgefühl, ich halte in diesem Falle meine Stellung für unwürdig. Eine künstlerische Lehrkraft, die an einer höheren Schule unterrichtet, sollte meines Erachtens ihre Freizeit zu künstlerischer Weiterbildung, durch Studium und Reisen nutzen können, das ist doch bei meinem Gehalt von durchschnittlich 500 Mark monatlich nicht möglich, davon kann ich mich kaum ernähren, geschweige denn kleiden, von Erholung gar nicht zu reden.“[2]

Am 29.12.1924 flehte sie erneut um Einstellung in den Öffentlichen Dienst und zeigte sich erleichtert, als der Oberschulrat Bohm diese am 6.11.1925 nach einer Hospitation befürwortete. Nach der Hürde der amtsärztlichen Untersuchung am 22.1.1926, die ihr nach einer bestandenen Bauchoperation im Jahre 1921 bescheinigte, dass Sprachstörungen, Krampfadern, Plattfüße sowie Zeichen von Nervosität nicht mehr vorhanden und das Hör- und Sehvermögen gut wären, erhielt sie am 29.1.1926 die so lange ersehnte Ernennung zur Technischen Lehrerin an Höheren Schulen ab 1.2.1926.

Aus der zu jeder Zeit kündbaren Anstellung mit der schlechten Besoldung an der Kleinen Helle wurde eine feste Position mit beamtenrechtlicher Sicherung. Bertha Wiegandt war nun aller finanziellen Sorgen ledig. Ihr ständiges Ringen um einen gesicherten Arbeitsplatz, das sie nicht nur als langwierig und nervenaufreibend, sondern auch als demütigend empfunden hatte, und ihre Odyssee durch das bremische Schulwesen waren beendet. Die frisch ernannte Beamtin konnte nicht nur ihre verwitwete Mutter, sondern auch ihre Schwester Else unterstützen, mit der sie zusammen an der Roon-Strasse 57 wohnte und ein Atelier unterhielt.

Bertha Wiegandt hatte nun den finanziellen und emotionalen Rückhalt, den sie brauchte, um sich freier künstlerischer Tätigkeit zu widmen. Es entstanden zahlreiche Landschaftsbilder, aber auch Porträts, wie das Bildnis ihrer Direktorin Mathilde Plate. Doch diese Bilder waren nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Bis zu ihrem Ruhestand im Jahre 1953 beschickte sie keine Ausstellungen. Erstmalig 1954 war in der Kunsthalle Bremen im Rahmen einer Präsentation des Bremer Künstlerbundes, dessen Mitglied sie war, auch ein Bild von ihr zu sehen.

Vor freier künstlerischer Tätigkeit rangierte für sie ihr Brotberuf als Kunsterzieherin. Pflichtbewusst und mit großem Eifer widmete sie sich ihren Aufgaben in der Schule. Sie bot einen qualifizierten Zeichenunterricht und versuchte, Talente zu fördern und zu unterstützen. Doch noch mehr Aufmerksamkeit und Interesse fanden die Arbeitsgemeinschaften, die sie und ihre Kollegin Marie Haken leiteten. Die Lehrerinnen schlugen „Bauprojekte“ vor, bei denen die Schülerinnen begeistert mitmachten. So entstanden keine Erzeugnisse L‘art pour l‘art, sondern Arbeiten, die einem Zweck dienten und für Aufführungen oder stilvolle Weihnachtsfeiern genutzt werden konnten. Im kreativen Zusammenwirken von Lehrerinnen und Schülerinnen wurden ein Kasperletheater mit einer Vielzahl von Figuren, ein Marionettentheater mit den unterschiedlichsten Puppen sowie eine Weihnachtskrippe hergestellt.

Bertha Wiegandt war eine beliebte Lehrerin und eine angesehene Kollegin, deren künstlerische und didaktische Fähigkeiten geschätzt wurden. Sie fühlte sich wohl an der Kleinen Helle und aufgehoben im Kreise eines Kollegiums, dessen Mitglieder einander respektierten und durch die starke Führungspersönlichkeit seiner Direktorin, Mathilde Plate, zusammengehalten wurde.

Ihr Grab befindet sich, wie das ihrer Eltern, auf dem Riensberger Friedhof.

Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen
1958: Bildnisse in der Jahresausstellung des Künstlerbundes
1973: Ausstellung in der Böttcherstraße Bremen
1984: Erinnerungsausstellung, in deren Zentrum Bernhard Wiegandt stand, aber auch von Bertha und Else zahlreiche Bilder zu sehen waren
1985: „Malerinnen in Fischerhude“, Fischerhude
2007: „Die Bremer Malweiber“, Sudweyhe

Hannelore Cyrus

Anmerkungen
[1] Gerkens, S.7.
[2] StAB Personalakte

Literatur und Quellen
Gerkens, Gerhard/Heiderich, Ursula: Katalog der Gemälde des 19. Und 20.Jahrhunderts in der Kunsthalle Bremen, Bremen 1973.
Jacob, Inge: Bertha Wiegandt, in: Cyrus, Hannelore u.a. (Hrsg.): Bremer Frauen von A bis Z, Bremen 1991, S.170.
Stock, Wolf-Dietmar/Wischnowski, Werner: Künstler in der Stille, Fischerhude 1988.
Wiegandt, Gedächtnisausstellung 1984, Sparkasse Bremen.
StAB, Personalakte Bertha Wiegandt, StAB 4,111 Pers.-5999.