Artikel

Frauen Geschichte/n. Biografien und FrauenOrte

Rezension in: Bremisches Jahrbuch Bd 96, 2017

Contzen, Regina, Laudowicz, Edith und Schmitter, Romina (Hrsg.): Frauen Geschichte(n). Biografien und FrauenOrte aus Bremen und Bremerhaven, Bremen: Falkenberg 2016. 503 S.

„Vor Ihnen liegt ein Schatz. Ein Buch gefüllt mit Geschichten, Leben, Eindrücken von Bremer Frauen“, so beginnt die Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe ihr Grußwort zu den hier anzuzeigenden Bremer „Frauen Geschichte(n)“. Ein „Meilenstein der Bremer Geschichtsschreibung“ sei damit gesetzt worden.

Die Bremer „Frauen Geschichte(n)“ sind nicht das erste Frauenlexikon. Schon 1991 hatte das „Lexikon Bremer Frauen von A – Z“ eine Vielzahl von Biographien Bremer Frauen in sich vereint. Das vorliegende Lexikon geht aber mit seinen über 300 Beiträgen weit darüber hinaus. Zwar waren auch früher in den bremischen Biografien Bremer Frauen vorgekommen, aber eben nur vereinzelt und meist ausgewählt eben von Männern, auch wenn deren Anliegen es war, „alle bedeutenden Männer und Frauen aufzunehmen“ (so 1969). Herauskamen in den „Bremischen Biographien des 19. Jahrhunderts“, 1912 herausgegeben von der Historischen Gesellschaft des Künstlervereins, ganze neun Frauenbiografien unter 360 Beiträgen, und 1969 in der „Bremischen Biographie 1912 – 1962“ waren es mit 18 Frauenbiografien unter insgesamt 544 Artikeln auch nicht gerade mehr gewesen. Von den 196 Autoren waren damals nur 10 weibliche Mitarbeiterinnen gewesen.

Die Zahlen sprechen für sich. Und man muss wohl der Bremer Frauenbeauftragten Ulrike Hauffe Recht geben, wenn sie im Grußwort des Bandes schreibt: „In der Geschichtsvermittlung haben bis heute Männer die Oberhand“, und fortfährt: „Die Wertschätzung weiblicher Leistungen bleibt … nach wie vor weit hinter denen der männlichen Akteure in der Geschichte zurück“. Nun, ganz so arg ist es heute nicht mehr darum bestellt, aber das ist – so könnte Frau sagen – eben wieder die Ansicht eines Mannes. Also gut.

Das vorliegende Lexikon versammelt Biografien von Frauen aus Bremen und Bremerhaven, Frauen aus den verschiedenen Wirkungsbereichen: Künstlerinnen (Malerei, Literatur, Schauspiel), Pädagoginnen, politisch und sozial engagierte Frauen, Sportlerinnen, Wissenschaftlerinnen sowie Frauen, aufgenommen aufgrund „Besonderer Leistungen“. Zahlenmäßig liegt dabei der Schwerpunkt auf den Künstlerinnen sowie den Frauen aus Politik und Gesellschaft. Die meisten von ihnen (über 200) stammen aus dem 20. Bzw. überleitend aus dem 21. Jahrhundert, um die 60 aus der Zeit bis vor dem Ersten Weltkrieg und nur ganz wenige aus den Jahren kurz nach und vor 1800.

Alle Beiträge sind in einer einheitlichen lexikon-ähnlichen Form geschrieben. Nach Name, einer Abbildung und Lebensdaten folgen Hinweise auf Herkunft, Eltern, Geschwister. An die eigentlichen biographischen Beiträge schließen sich, wo relevant, Publikationen, sowie immer Hinweise auf Literatur und Quellen und oftmals Anmerkungen zum Text an. Ergänzt werden die Biografien durch sogenannte „Frauenorte“, wie den Beginenhof, das Mädchengymnasium Kleine Helle, das Ottilie-Hoffmann-Haus oder einfach „Frauen in der Seefahrt“. Die einzelnen Beiträge zeichnen sich formal durch ihre knappe, informative Sprache aus, sind nicht ausgeschrieben, eine Voraussetzung dafür, dass so viele Beiträge in einem Band von rund 450 Seiten untergebracht werden konnten.

Die „Frauen Geschichte(n)“ sind vom Bremer Frauenmuseum e.V. herausgegeben worden. An ihnen haben 48 Autorinnen mitgearbeitet. Interessant wäre gewesen, im Vorwort zu erfahren, wer die abzuhandelnden Frauen aus Bremen und Bremerhaven ausgewählt hat. 1969 hat die Historische Gesellschaft drei Mitglieder ihres Vorstandes damit beauftragt, eine Auswahl aus einer Liste von 2000 Persönlichkeiten zu treffen.

Auch wenn die Autorinnen des vorliegenden Lexikons verschiedentlich auf bereits vorhandene biografische Beiträge, so u.a. auf Bickelmanns „Bremerhavener Persönlichkeiten aus vier Jahrhunderten“, die oben genannten Lexika sowie auf Schwarzwälders „Großes Bremen-Lexikon“ zurückgreifen konnten, so stellt die Überarbeitung und Ergänzung dieser Beiträge, besonders aber die Neufassung so vieler neuer biographischer Lebensbilder eine besondere Leistung dar, auch wenn der Rezensent auf fehlende Quellen- und Literaturhinweise gestoßen ist, die hervorzuheben jedoch kleinlich wäre.

Mit den „Frauen Geschichte(n)“ liegt nun ein fundiertes wissenschaftliches Hilfsmittel für die Bremer Landesgeschichte vor, das eine zu Recht beklagte Lücke nicht nur in der Frauen-Geschichtsforschung schließt. Dafür gehört dem Verein „Bremer Frauenmuseum“ Dank und Anerkennung, die er durch die Verleihung des Bremer Preises für Heimastforschung 2017 auch erhielt. Über den wissenschaftlichen Nutzen hinaus kann man aber auch in den „Frauen Geschichte(n)“ einfach nur blättern, entdecken und lesen. Die Herausgeberinnen wünschen dazu ihren „Leserinnen“ viel Lesevergnügen. Das sei auch den Lesern gegönnt, meint der Rezensent.

Hartmut Müller