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Bardenheuer, Rita (1877 – 1943)

Maria Elisabeth Hermine Bardenheuer, Rita genannt, geborene Hoffmeister, war eine engagierte Frauenrechtlerin.

5.6.1877 in Bremen – 15.2.1943 in Bremen

Ihre Kindheit verlebte Maria Elisabeth Hermine, wie sie „richtig“ heißt, mit ihren Eltern Hinrich und Sophie Hoffmeister und ihren beiden Schwestern in der Bremer Neustadt. Ihr Vater war Werkmeister der Bremer Silberwarenfabrik Koch und Bergfeld. Er war aufgeschlossenen genug und vom Verdienst her dazu in der Lage, seine Tochter auf die höhere Töchterschule zu schicken und anschließend ihren Wunsch zu erfüllen, eine Ausbildung am Lehrerinnenseminar von A.M. Janson zu absolvieren. Danach unterrichtete sie einige Jahre an einer Mädchenschule in Bergedorf bei Hamburg. Offensichtlich wollte sie die vertraute Umgebung einmal verlassen und Neues kennenlernen.

Der Liebe wegen kam sie aber wieder zurück, denn hier hatte sie ein „Verhältnis“, das im Oktober 1900 durch ihre Heirat mit Gustav Bardenheuer, einem jungen Handlungsgehilfen der alteingesessenen Firma C. Melchers Co, legitimiert wurde. Voreheliche Beziehungen waren – anders als bei Arbeitern – nicht eben üblich in ihren Kreisen. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: 1901 kam der erste Sohn zur Welt, der zweite Sohn 1902 und die Tochter wurde 1907 geboren.

Rita Bardenheuer war nach der Heirat zwar nicht mehr berufstätig, aber tätig war sie dennoch. Sie engagierte sich u.a. zusammen mit Auguste Kirchhoff im Bund für „Mutterschutz und Sexualreform“, der 1905 in Berlin und 1909 in Bremen gegründet wurde. Von 1924 – 1932 wurde sie sogar dessen Leiterin in Bremen.[1] Der Bund prangerte „die herrschende Lüge und Heuchelei in allen Fragen, die das sexuelle Leben betreffen an … Vor dem herrschenden Sittengesetz ist jeder Geschlechtsverkehr außerhalb der Familie unsittlich. Trotzdem besteht staatlich konzessioniert die Prostitution, trotzdem bestehen Tausende von Liebesverhältnissen. In beiden Fällen verurteilt die Gesellschaft aber nur die Frau, den wirtschaftlich schwächeren und daher abhängigen Teil“[2] – schrieb Rita Bardenheuer. Zusammen mit ihren Mitstreiterinnen setzte sie sich für den rechtlichen und sozialen Schutz von ledigen Müttern und deren Kinder ein – im prüden Kaiserreich ein mutiges Unterfangen und auch noch für viele Jahrzehnte ein wichtiges Anliegen.

In weitere Aktivitäten übernahm sie 1914 den Vorsitz der Bremer Ortsgruppe des „Deutschen Frauenstimmrechtsbundes“, der das allgemeine, gleiche Wahlrecht für beide Geschlechter forderte und damit mehr, als was den Männern in weiten Teilen des Deutschen Reichs – so auch in Bremen – zustand, wo noch das Klassenwahlrecht herrschte: in Preußen das 3-Klassen-Wahlrecht, in Bremen das 8-Klassen-Wahlrecht – also eben nicht das allgemeine und gleiche Wahlrecht. Diese Forderung hielten nicht nur viele Männer, sondern auch viele Vertreterinnen der bürgerlichen Frauenbewegung für zu weitgehend.

Rita Bardenheuer beschäftigte sich intensiv mit der Geschichte der deutschen Frauenbewegung, hielt darüber Vorträge und veröffentlichte dazu 1918 auch ein Buch: „Woher und Wohin. Geschichtliches und Grundsätzliches aus der Frauenbewegung“. Sie kritisierte darin in deutlichen Worten das bestehende Wirtschaftssystem. „Soziale Not liegt begründet in der Wirtschaftsweise, ist nicht schuld des einzelnen, und so zeigt sich wieder der Kapitalismus als der Urheber der täglich wachsenden, dringend notwendigen sozialen Tätigkeit.“[3]

Soziale Arbeit, die zu einem erheblichen Teil von Frauen geleistet wurde – und wird – musste nach Rita Bardenheuers Meinung unbedingt eine staatliche und damit eine weltliche, also nicht eine konfessionell sein, außerdem eine bezahlte Arbeit und damit als gesellschaftlich notwendige Arbeit anerkannt sein. – Schon damals kritisierte sie deutlich die Ausnutzung unentgeltlicher weiblicher Hilfsbereitschaft.

Wie empfand das nun ihr Ehemann – von Stand und Profession her sicher nicht gerade antikapitalistisch eingestellt? In den ersten Jahren unterstützte er offenbar ihr Engagement für Frauenstimmrecht, Mutterschutz und Sexualreform und für eine Schulreform. Sie nannte ihn sogar „Lehrer und Mitkämpfer“. Das sollte sich später ändern. Woher hatte sie überhaupt diese „linken“ Ideen, dieses Bewusstsein von sozialer Ungerechtigkeit, diese Empörung über die Ausbeutung der Arbeiterinnen in der Jutespinnerei im Bremer Westen, dieses Sich-Kümmern um gesellschaftlich Ausgestoßene wie Prostituierte und geschlechtskranke Frauen? Sie, die in durchaus bürgerlichem Ambiente, seit 1908 in einem neu erbauten Haus in der Schwachhauser Franziusstraße wohnte, die Dienstboten beschäftigte – also eine, die recht komfortabel lebte und keinen direkten Kontakt zum Leben armer Leute hatte – wie kam sie dazu?

Es gibt Hinweise darauf, dass sie vor dem Ersten Weltkrieg Kontakte zum linken Flügel der Bremer SPD hatte. Die bremische Sozialdemokratie war vor und während des Ersten Weltkriegs in verschiedene Lager gespalten. Hier mag sie in Berührung gekommen sein z.B. mit fortschrittlichen Gedanken zur Schulreform, die sie als ausgebildete Lehrerin interessierten: Einheitsschule statt Klassenschule. Hier – und in der hier zirkulierenden Literatur mögen Sätze wie die folgenden ihren gedanklichen Ursprung haben: „Warum werden nicht Löhne gezahlt, die dem Menschen ein menschenwürdiges Dasein verschaffen (bezogen auf die Jutearbeiterinnen)? Warum werden nicht Arbeitsbedingungen geschaffen, die dem Menschen sein kostbarstes Gut, seine Gesundheit, lassen? Weil das Kapital sonst nicht genügend zinstragend angelegt ist, weil Geldinteressen über Menscheninteressen stehen.“[4]

Aber auch die Freundschaft mit anderen Frauen aus bürgerlichem Milieu wie Auguste Kirchhoff, die die Doppelzüngigkeit und Heuchelei der sogenannten gut bürgerlichen Gesellschaft beim Namen nannte, hat Rita Bardenheuer natürlich geprägt.

Als eine, die seit Jahren für das aktive und passive Frauenwahlrecht gekämpft hatte, war es nur konsequent, dass sich Rita Bardenheuer, als es endlich verkündet worden war, sich 1919 bei der ersten demokratischen Wahl in Bremen, der Wahl zur bremischen Nationalversammlung, am 9. März 1919 als Kandidatin aufstellen ließ. Zusammen mit 17 anderen Frauen zog sie in das bremische Parlament ein: 18 Frauen von 200 Abgeordneten, das waren immerhin 9%.

Anfang des Jahres 1919 war sie der MSPD[5] beigetreten, wenn ihr auch die Problematik einer Parteigebundenheit wegen der verlangten Parteidisziplin wohl bewusst war. Obgleich das nun nicht die linke SPD war, sondern der gemäßigte Flügel, galt dieser Schritt bei ihren Schwachhauser Nachbarn als ziemlich Aufsehen erregend, auf der anderen Seite begegneten ihr auch die neuen Genossen zunächst mit einiger Distanz, entstammte sie doch so gar nicht dem klassischen Arbeitermilieu.

In öffentlichen Vorträgen appellierte sie an die Frauen, sich parteipolitisch zu engagieren. Sie sollten „das Innerliche, Frauenhafte, Menschliche“ in die Partei hineinbringen. Ihr Gebiet sei „vornehmlich das Soziale, Erziehliche.“[6]

Rita Bardenheuer wurde trotz anfänglicher Distanz ihr gegenüber recht bald mit Ämtern bedacht: Sie wurde zur zweiten Vorsitzenden ihrer Partei gewählt, ein Amt, das sie aber nach wenigen Monaten wieder niederlegte. In der Bürgerschaft wurde sie in den Vorstand gewählt und übernahm wichtige Funktionen in der Schuldeputation und in der Kommission für das Volkswohlfahrtsamt. Idealismus und soziale Verantwortung sprechen aus einem ihrer Redebeiträge zur Errichtung eines Wohlfahrtsamtes: „Es ist meines Erachtens Menschenpflicht für diejenigen, die auf den Höhen des Lebens stehen, … denen zu helfen, die vielleicht durch dieselben Ursachen, die sie auf die Höhe brachten, in die Tiefe der Not heruntergestürzt wurden.“[7] Hier sei noch ein weiteres mutiges Wort aus ihrem Munde zitiert: Im Zusammenhang mit der Bürgerschafts-Diskussion über einen Bericht zur Errichtung einer Baracke für geschlechtskranke Frauen auf dem Gelände der Krankenanstalt empört sie sich über fehlenden Respekt vor der Menschenwürde dieser Frauen und Mädchen. Zu einer Aussage in dem Bericht, wonach kranke Frauen eine Ansteckungsgefahr für die „männliche Mitwelt“ bedeuteten, sagte sie: „Welche männliche Mitwelt kommt denn in Gefahr? Doch nur diejenige, die diese Mädchen als Freiwild betrachtet, sie benutzt wie eine Sache, um sie dann wegzuwerfen. … Diese Mädchen sind doch nicht schlechter als die Männer, die sie benutzen.“[8]

1921 legte diese mutige Frau überraschend ihr Bürgerschaftsmandat nieder, im gleichen Jahr trat sie aus der SPD aus. Warum? War es die Furcht vor zu starker Einbindung? War es Kritik am politischen Kurs der Partei? Ausschlaggebend mag ein anderer Grund gewesen sein: ihr Ehemann. Der bekam zunehmend berufliche Schwierigkeiten. Für den Teilhaber der Firma eines Tabakmaklers war es offenbar nicht akzeptabel, eine aktive Sozialdemokratin zur Frau zu haben. Mehr und mehr kehrten ihm Geschäftspartner den Rücken.

Bei aller geistigen Selbständigkeit – hier geriet Rita Bardenheuers Unabhängigkeit an ihre Grenzen. Ökonomisch war sie eben nicht unabhängig. Aus Rücksicht auf die gesellschaftliche Stellung ihres Mannes, der sie eben auch ernährte, musste sie – und wollte es vielleicht auch – ihre viel versprechende Karriere als Politikerin aufgeben.

Engagiert blieb sie weiterhin. Von 1921 bis 1926 war sie Mitglied der Behörde für das Wohlfahrtswesen. Sie arbeitete weiter in der Mutterschutzbewegung und in der „Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit“ (IFFF) mit, die sie zusammen mit Auguste Kirchhoff 1919 in Bremen gegründet hatte.

1933 – mit der Machtübertragung an die Nazis – endeten ihre Aktivitäten. Wir wissen nicht, wie diese tatkräftige Frau in den 10 Jahren, die ihr bis zu ihrem Tod noch blieben, lebte. Bei dem Bremer Autor Johann Günther König heißt es nur: „Rita Bardenheuer, die mit ihren 56 Jahren noch voller Energie steckte, musste sich auf ihren Haushalt zurückziehen.“[9]

Am 15.Februar 1943 erlag Rita Bardenheuer einem Gehirnschlag.

Rita Bardenheuer erlebte in ihren 66 Lebensjahren drei Epochen deutscher Geschichte – nämlich Kaiserreich, Weimarer Republik und „Drittes Reich“. Auch wenn wir über sie nur etwas aus den ersten beiden Zeitabschnitten wissen, ist dies schon sehr beeindruckend. Sie war eine mutige, für ihre Zeit und ihr Milieu untypische Frau, die deutlich ihre Meinung sagte, die mit großem Engagement mithelfen wollte, die Lage der Frauen zu verbessern und dabei auch vor der Verletzung gesellschaftlicher Tabus nicht zurückschreckte.

Es bedurfte offenbar zweier Senatsbeschlüsse –am 24.11.1959 und am 7.2.1962 – um eine kleine Straße in einem Neubaugebiet im hinteren Schwachhausen – von der Busestraße bis zur Biermannstraße – nach Rita Bardenheuer zu benennen.

Renate Meyer-Braun

Anmerkungen:
[1] Meyer-Renschhausen, Elisabeth: Weibliche Kultur und soziale Arbeit, S. 335 ff.
[2] König, Johann Günther: Die streitbaren Bremerinnen, Bremen 1981, S. 222
[3] ebd: S. 223
[4] ebd: S. 244
[5] MSPD: Mehrheits-Sozialdemokratische Partei Deutschlands, die in Bremen gar nicht die Mehrheit innerhalb der SPD bildete. Die meisten Bremer SPD-Mitglieder waren der 1917 gegründeten linken Abspaltung, der USPD, Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands beigetreten..
[6] König: S. 267
[7] ebd.: S. 271
[8] ebd.: S. 269
[9] ebd.: S. 275.

Literatur und Quellen:
Bachmann, Elfriede: Rita Bardenheuer, Jahrbuch der Wittheit 1972, Bd. XVI, S. 203-225
Bremer Frauenmuseum (Hrsg.): Frauen Geschichte(n). Biografien und FrauenOrte aus Bremen und Bremerhaven, Bremen 2016
König, Johann Günther: Die streitbaren Bremerinnen, Bremen 1981
Meyer-Renschhausen, Elisabeth: Weibliche Kultur und soziale Arbeit. Eine Geschichte der Frauenbewegung am Beispiel Bremens 1810 – 1927, Köln, Wien 1989
Stuckmann, Dagmar: „Gebt Raum den Frauen“. 100 Jahre Internationaler Frauentag in Bremen, Wiesbaden 2011
Wottrich, Henriette: Auguste Kirchhoff – Eine Biografie, Bremen 1990.