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Schepp, Guste (1886 – 1967)

23.8.1886 in Bremen – 23.7.1967 in Bremen

Guste war die Tochter des Ibero-Amerika-Kaufmanns Carl Merkel (28.5.1847 in Bremen-13.9.1911 in Bremen) und der Carlotta Clausen (27.4.1853 in Mexico-1928 in Bremen). Sie wuchs mit vier Geschwistern auf. Die beiden Brüder wurden Kaufleute; von den Schwestern engagierte sich eine beim Agnes-Karll-Verband für freie Schwesternschaft,[1] während die andere im Vorstand des Mütter- und Säuglingsheims und in der Nachbarschaftshilfe tätig war.

Guste besuchte das Lyzeum von Anna Vietor bis 1901, verbrachte dann ein Jahr in einem Pensionat in Dresden und anschließend einige Monate bei einer englischen Pastorenfamilie. Danach begann sie ihre Ausbildung zur Lehrerin auf dem Seminar von Gustav Janson, die sie jedoch vorzeitig wegen einer schweren Erkrankung abbrechen musste. 1907 heiratete sie den Bremer Anwalt Hans Schepp, mit dem sie vier Kinder hatte. Er, seit 1912 Vorsitzender der Vereinigung Liberaler Rechtsanwälte, machte den 1.Weltkrieg an vielen Fronten mit. Er fiel 1918 gegen Ende des Krieges. Dieser harte Verlust wurde richtungsweisend für ihren weiteren Lebensweg. Sie gründete 1919 mit Lisa Bachof und anderen Witwen die Kriegshinterbliebenen-Vereinigung, die mit 900 Mitgliedern zu einer der größten bremischen Frauenverbände wurde. Hier leistete sie über 15 Jahre materielle und seelische Hilfe, sammelte Spenden für die Ausstaffierung von Konfirmandinnen, veranstaltete Weihnachtsfeiern und Ausflüge und erwarb sich so den Ruf einer „sozial erfahrenen Person“, als die sie dann später in einen Ausschuss des Reichsarbeitsministeriums berufen wurde.

1927 trat sie an die Spitze des Frauenstadtbundes. Damit rückten allgemein-frauenpolitische Fragen in den Vordergrund ihrer Arbeit: Benachteiligung der Frauen, Friedensresolutionen und der § 218 standen damals wie heute auf dem Programm. Sie nahm auch journalistischen Einfluss, berichtete in den Bremer Nachrichten über die großen Frauentagungen, verfasste Portraits bedeutender Persönlichkeiten wie Hedwig Heyl, Luise Koch, Ottilie Hoffmann, Anna Vietor und Helene Lange und nahm zu aktuellen Ereignissen Stellung. 1932 z.B. eröffnete sie mit einem Artikel „Eingesandt aus Frauenkreisen“ die Debatte über die Rolle der Frau im „Dritten Reich.“[2] 1930 kam sie als Nachfolgerin von Agnes Heineken für die Deutsche Staatspartei in die bremische Bürgerschaft. Hier setzte sie sich besonders für die Bildungschancen von Kindern weniger bemittelter Eltern ein und hatte durch ihre Arbeit in der Wohlfahrtsdeputation besonders freundschaftliche Kontakte zu dem damaligen Wohlfahrtssenator Wilhelm Kaisen und seiner Frau Helene.

In derselben Zeit wurde sie zur Vorsitzenden des Verbandes Norddeutscher Frauenvereine und in den Vorstand des Bundes Deutscher Frauenvereine (BDF) berufen. Diese überregionale Ausweitung ihrer Arbeit führte zu umfangreicher Vortrags- und Sitzungstätigkeit zwischen Elbe und Ems. Das Zentrum ihrer Aktivitäten war aber ihr Haus in der Roonstraße 43, wo sie mit ihren Kindern lebte, die Sprechstunden für Kriegerwitwen abhielt und wo alle Vorstandssitzungen und so manche kleine Veranstaltung stattfanden.

1933 war dann alles vorbei: das Parlament und die Verbände wurden aufgelöst, es gab keinen Raum mehr für freie bürgerliche Aktivitäten. An die Stelle der bisherigen Frauenpolitik trat für Auguste S. die Arbeit der Frau in und für die Kirche. Sie verstärkte ihr Engagement für die Domgemeinde und übernahm, 1938 den Vorsitz des Deutschen Evangelischen Frauenbundes (DEF), den sie bis 1964 behielt. Noch im Sommer 1933 hatte sie eine harte Auseinandersetzung mit dem Landesbischof Weidemann, dem sie bei der Wahl des Reichsbischof seine militante Parteinahme für den Mann der NSDAP, den Kreispfarrer Müller, gegen den tätigen Christen, Pastor Bodelschwingh, vorwarf; sie mahnte, er kämpfte um die Organisation der Kirche ohne Rücksicht auf die Glaubensinhalte.

1945, am Ende des 2.Weltkriegs, hütete sie in einem Behelfsheim in Bayern fünf Enkelkinder. Der Aufforderung Kaisens, am Aufbau Bremens mitzuarbeiten, standen noch familiäre Pflichten entgegen.

1950 gründete sie mit Mathilde Wilkens, Else Ahlers und Grete Erling, gestützt auf den DEF, das Jugend-Gemeinschaftswerk. Hier sollten noch nicht voll erwerbsfähige Mädchen durch einjährige Kurse in Haushaltsführung, Kindergartenarbeit und Allgemeinbildung zur Berufsreife gefördert werden. Bis zuletzt kannte sie keine größere Freude, als zu erleben, wie die ihr anvertrauten, entwicklungsgehemmten jungen Menschen langsam Selbstsicherheit und Lebenszuversicht gewannen. Besonders gern ging sie mit ihnen in die Kunsthalle, um sie an die Kultur heranzuführen. Christentum, so war ihre Überzeugung, müsse sich durch tägliches christliches Handeln beweisen. Ihre politische Liberalität war bestimmt von der Verantwortung für diejenigen, deren Freiheit Grenzen gesetzt waren. Ihr Einsatz für die Frau zielte auf Harmonie und Synthese, nicht auf Konfrontation. Sie glaubte an die Möglichkeit, Klassenunterschiede abzubauen und hielt sie nicht für unverrückbare politische Bestimmungsfaktoren. Das Besondere ihrer Lebensleistung liegt auch darin, wie sie es verstand, ihr sozialpolitisches Engagement so mit ihrem Familienleben in Einklang zu bringen, dass sich beide wechselseitig bereicherten. Erst wenige Jahre vor ihrem Tode gab sie ihre letzte Aktivität auf.

Anmerkungen:
[1] 11.Januar 1903 als Berufsorganisation der Krankenpflegerinnen Deutschlands (B.O.K.D.) von der Krankenpflegerin Agnes Karll gegründet, heute Deutscher Verband für Pflegeberufe.
[2] BN 8.3.1932.

Literatur und Quellen:
Bremer Nachrichten 9.2.1913 (Nachruf).
Jugenderinnerungen StAB 7,47 – 11 Aus den Jugenderinnerungen von Henny Sattler, in: Bremer Nachrichten 17.4. u. 21.4.1956.
Verhandlungen der Bremischen Bürgerschaft 1930-1933.
Zusammengestellt nach einem Lebensbild von Hans Schepp (Familienunterlagen).

Elisabeth Hannover-Drück