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Denkhaus, Lotte (1905-1986)

Lotte Denkhaus engagierte sich in der Bremer Immanuel-Gemeinde und war schriftstellerisch tätig.

1.3.1905 in Orsoy – 19.10.1986 in Bonn

Lotte Denkhaus, geb. Treichel wuchs in Essen als Pfarrerstochter auf. Nach einem kurzen Studium in Marburg lernte sie Haushaltsführung in der Schweiz und eignete sich in Bethel Grundkenntnisse der Krankenpflege an. Mit 21 Jahren heiratete sie 1927 den Pfarrersohn Friedrich (Friedel) Denkhaus und zog mit ihm nach Velbert. Friedrich, Jahrgang 1902, auch aus Essen stammend, studierte in Bonn, Tübingen und Halle und wurde 1927 ordiniert. Bereits mit 25 Jahren übernahm er eine selbständige Amtsstelle in der evangelischen Gemeinde Velbert. Als Nachfolger des Pastors Paul Gerhard Tiefenthal wurde Denkhaus 1932 an die Bremer Immanuel-Gemeinde berufen. Das rasche Bevölkerungswachstum im Bremer Westen, bedingt durch die Hafen- und Industrieentwicklung, hatte Tiefenthal 1908 bewogen, die Immanuel-Gemeinde als Tochter der St.-Stephani-Gemeinde ins Leben zu rufen. Das Gebäude in der Elisabethstr. 17/18 ist ein ungewöhnliches Gotteshaus, denn es reiht sich eher unauffällig in die Häuserzeile ein. Der fehlende Glockenturm ist der Grund für die Bezeichnung „Immanuel-Kapelle“. Das Innere des Gebäudes dient als Mehrzweckraum für Gottesdienste und Gemeindeveranstaltungen.

Familie Denkhaus zog in das angegliederte Pfarrhaus. Hier wurden die drei Kinder geboren: Carola, verh. Twardella (1932-2020), Friedrich (1935-1998) und Ulrich (1938-2013).[1] Obwohl Lotte anfangs – so schildert es zumindest ihre Tochter Carola – der Gedanke, in einer Arbeitersiedlung zu wirken, nicht sonderlich behagte, hielt sie es für ihre selbstverständliche Pflicht, ihren Mann tatkräftig zu unterstützen und in der Gemeinde die üblichen Aufgaben einer Pfarrersfrau zu übernehmen, als da sind die Leitung von Frauenkreisen und Bibelstunden.

Schon ein Jahr später sollte die politische Entwicklung dem Ehepaar einen weit höheren Einsatz abverlangen. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 machte die „Gleichschaltung“ auch vor der Kirche nicht halt. Die dem Regime nahestehenden „Deutschen Christen“ wollten in der Kirche das Führerprinzip durchsetzen. Im Widerstand gegen Heinz Weidemann, den Führer der „Deutschen Christen“ in Bremen, stand die Gemeinde geschlossen hinter ihrem Pastor und wurde dabei auch von ihrer Muttergemeinde St. Stephani unterstützt. Mehreren Protestaktionen Bremer Pastoren schloss Denkhaus sich an; 1934 trat Immanuel der „Bekennenden Kirche“ bei. Mehrfach formuliert Denkhaus die Überzeugung, die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments und das Bekenntnis der Reformation Martin Luthers seien alleinige und unverrückbare Grundlage kirchlichen Wirkens. Er schreibt: „Die Gemeinde unter dem Führerprinzip ist eine entmündigte Gemeinde.“ Lottes Einstellung war im Grunde unpolitisch. Tochter Carola entnimmt späteren Aufzeichnungen ihrer Mutter, sie habe sich um den Staat nicht gekümmert, sondern nur die Kirche gesehen. Erst als ihr Mann Soldat wurde, habe sie „sich gewünscht, Deutschland möge zugrunde gehen.“ Sie habe aber mit niemandem darüber sprechen können.[2]

Als Friedrich Denkhaus 1941 zum Militär eingezogen wurde, stand Lotte allein vor der Aufgabe, das Gemeindeleben aufrecht zu erhalten. Um dies zu ermöglichen, hat sie ihre drei Kinder zusammen mit der Haushaltshilfe Klara Heidkamp aus Bremen fortgeschickt. Die Kinder lebten drei Jahre mit ihrer Vizemutter an verschiedenen Orten. Diese Entscheidung bedeutete für Lotte die schwerste ihres Lebens, die sie aber glaubte um der Gemeinde willen auf sich nehmen zu müssen. Zusammen mit der Gemeindehelferin Hilde Volle, die zu ihr ins Pfarrhaus gezogen war, erlebte sie die schweren Bombenangriffe. Später hat sie oft darüber nachgedacht, ob die Entscheidung für die Gemeinde und gegen die Kinder die richtige war.[3]

Lotte war es zu verdanken, dass die Gemeinde ihre Arbeit fortsetzte und fest zusammenhielt. Trotz der bedrohlichen Situation, und manchmal sogar gegen den Widerstand des Gemeindevorstands, sorgte sie dafür, dass wenn irgend möglich, die Gottesdienste nicht ausfielen.

Als Friedrich 1945 aus dem Krieg zurückkehrte, nahm die von beiden zu bewältigende Arbeit eher noch zu. Die Gemeinde war auf fast 13.000 Mitglieder angewachsen, und Friedrich war als einziger Pfarrer völlig überlastet. Lotte hatte ein Hilfswerk aufgebaut. Ohnehin von nicht besonders stabiler Gesundheit, rieb sie sich auf in der Hilfe für eine zunehmende Zahl von Hilfsbedürftigen. Das Haus war immer voller Menschen. Ihr Mann beschreibt, wie sie Mehlsäcke, die im Pfarrhaus auf Zuteilung warteten, verteilte, mit US-amerikanischem Militär auf Englisch verhandelte und immer wieder Kinder und junge Leute ins Haus aufnahm. Eine solche Verausgabung ging weit über ihre Kräfte und führte schließlich zu einem gesundheitlichen Zusammenbruch.[4]

Die derartig unhaltbare Situation dürfte 1953 ausschlagend gewesen sein für die Entscheidung, Bremen den Rücken zu kehren. Friedrich übernahm eine Pfarrstelle an der Lutherkirche in Bonn. Auch hier setzte Lotte ihre Mitarbeit fort. Alljährlich dichtete sie Krippenspiele mit Zeitbezügen. Sie fand nun auch Zeit für erweiterte persönliche und briefliche Kontakte mit Persönlichkeiten des kirchlichen Lebens, so mit Dorothee Sölle, Hilde Domin und Helmut Gollwitzer.[5] Nach Friedrichs Pensionierung zog das Ehepaar 1966 in den beschaulichen kleinen Ort Ittenbach im Siebengebirge.

1972 verstarb Friedrich. Lotte vermietete ihr Haus und kehrte nach Bonn zurück, um wieder stärker am kulturellen Leben teilhaben zu können. Die letzten Monate ihres Lebens verbrachte sie in der Nähe ihrer Tochter in einem Altenheim in Wuppertal.[6] Bis kurz vor ihrem Tode am 19.10.1986 führte sie eine lebhafte Korrespondenz, z. B. mit Johannes Rau.

Schriftstellerische Tätigkeit

Tochter Carola weist darauf hin, dass Lotte ein Mensch war, der viel geistige Anregung brauchte. Deshalb waren ihr die Freundschaften mit den Dichtern Rudolf Alexander Schröder und Manfred Hausmann so wichtig. Schröder nahm bei Besuchen in Bremen oft bei Familie Denkhaus Quartier.[7] Lotte konnte ihn auch für Predigten gewinnen. In zwei Büchern hält sie ihre Begegnungen mit Schröder fest. 1947 verfasst sie in der Reihe „Gottsucher in der Dichtung“ eine kurze Biographie. Im Nachwort schreibt sie: „Dass es der Verfasserin und ihrer Familie vergönnt war, mehrere Jahrzehnte lang die Zuneigung, Güte und Geduld Rudolf Alexander Schröders in vielen Begegnungen zu erfahren, erfüllt sie im Rückblick mit immer größerem Staunen und immer tieferen Dank.“ Ein weiteres Buch mit dem Titel „Wir sollen aber Frieden haben. Begegnungen mit Rudolf Alexander Schröder“ erscheint 1968.

Ihre Gedichte, teils geistlicher, teils persönlicher Art, veröffentlicht sie In insgesamt sechs Einzelbänden. Darüber hinaus hat die Evangelische Verlagsanstalt ihre Gedichte in mehrere Anthologien aufgenommen, z.B. 1964 unter dem Titel: „Überall ist deine Spur. Christlicher Glaube in deutscher Lyrik 1910-1960“, neben Texten von Bonhoeffer und Borchert.

Die Qualität ihrer literarischen Arbeit wird sehr unterschiedlich gewürdigt. Sie ist vielleicht nicht ganz unschuldig daran, bezeichnet sie doch ihr erstes Buch zu R. A. Schröder 1947 im Nachwort als „naiv und anspruchslos“. Diese Einschätzung wird vom Herausgeber der zweiten Biographie übernommen, als er von „liebenswerter Schlichtheit“ spricht.

Schröder selbst ist ganz anderer Ansicht. Im Vorwort zu Lottes Gedichtsammlung „Mitte aller Zeit“ schreibt er: „Mit (ihrer Begabtheit) hat sich sogar ein Wunder … begeben, sie ist mit den Jahren gewachsen, und ist heute aus der begabten eine berufene Dichterin geworden.“ Wolfgang Herbst zitiert Helmut Gollwitzer mit den Worten: „Wir wissen von Lotte Denkhaus‘ Gedichten, dass ihr die Gabe des Empfindens für Klang und Gewicht der Worte gegeben ist, ebenso die Gabe des Empfindens für heimliche Nöte.“ Für ihr Talent spricht auch, dass einer ihrer Texte in das evangelische Gesangbuch aufgenommen wurde[8] und weitere Texte von ihr vertont wurden.

Werke
Bücher
1947 Rudolf Alexander Schröder, Reihe „Gottsucher in der Dichtung“
1968 Wir sollen aber Frieden haben. Begegnungen mit Rudolf Alexander Schröder, im Anhang: Briefe an Lotte.
Gedichtbände
1941 Wir sind Gäste
1949 Die Erhörung
1954 Wenn ich durch meinen Garten geh
1957 Mitte aller Zeit
1970 Trink doch das Leise
1977 Der Friede hat die Stadt eingenommen
Mehrfach wurden ihre Gedichte in Anthologien aufgenommen.
Liedertexte
Text zum Kirchenlied „Ich will zu meinem Vater gehn“, Vertonung Dieter Trautwein, Evangelisches Gesangbuch Nr. 315
Weitere Vertonungen von Joseph Petzold und Erna Woll

Marion Reich
Juni 2021

Quellen
Denkhaus Anne-Dore, Zeitzeugin 2021
Digitales Heimatmuseum, www.digitales-heimatmuseum.de, Immanuel im Nationalsozialismus (Abruf 3.8.2021)
Herbst Wolfgang: Wer ist wer im Gesangbuch 2001
Koschnick Hans: „Aufrecht und bekenntnistreu“, Bremer Kirchenzeitung vom 30. 8. 1987
Stiehler Axel und Wilking Oliver (Hg.): 101 Geschichten aus Immanuel 2009
Stoevesandt Karl: Bekennende Gemeinden und deutschgläubige Bischofsdiktatur 1961
Twardella Carola und Günter: Einmal muss doch Friede sein. Erinnerung an Lotte Denkhaus 2004.

[1] Alle drei Kinder studierten Theologie, Ulrich zusätzlich Physik, und waren im Rheinland seelsorgerisch tätig.
[2] Digitales Heimatmuseum, Interview Carola Twardella
[3] 101 Geschichten
[4] Twardella, Einmal muss doch Friede sein, 2004
[5] ebenda
[6] Mitteilung Anne-Dore Denkhaus
[7] 101 Geschichten
[8] Nr. 315 „Ich will zu meinem Vater gehn“